I. Problemstellung
Mitunter kommt es vor, dass zum Zwecke eines gemeinsamen Vergleichsabschlusses ein weiterer Beteiligter dem Vergleich beitreten will und den Prozessbevollmächtigten einer Partei bittet, ihn insoweit ebenfalls zu vertreten.
Beitritt beim gemeinsamen Gegenstand
Solche Fälle treten z.B. auf, wenn nur einer von mehreren Gesamtschuldnern verklagt worden ist, der Vergleich dann aber mit allen Gesamtschuldnern geschlossen werden soll. Gleiches gilt, wenn nur der Bürge verklagt worden ist und der Hauptschuldner sich am Vergleich beteiligen will oder umgekehrt. Auch kommen solche Fälle vor, wenn ein Zessionar die Forderung geltend macht und die Abtretung bestritten wird. Dann kann es zweckmäßig sein, dass der Zedent einem Vergleich beitritt (s.u. OLG Nürnberg).
Beitritt bei unterschiedlichen Gegenständen
Aber auch dann, wenn es um verschiedene Forderungen geht, kommen solche Beitrittsfälle vor, insbesondere bei Pflichtteilsprozessen. Häufig führt ein Pflichtteilsberechtigter einen "Musterprozess" gegen den Erben. Kommt es dann zu einer Einigung über die Höhe des Pflichtteilsanspruchs, ist der Erbe in aller Regel nur zu einem Vergleich bereit, wenn die entsprechenden Berechnungen auch für die anderen Pflichtteilsberechtigten gelten sollen. Diese beauftragen dann in der Regel den Anwalt des klagenden Pflichtteilsberechtigten, sie zum Zwecke eines gemeinsamen Vergleichsabschlusses zu vertreten.
Es stellt sich dann die Frage, wie abzurechnen ist.
II. Eine Angelegenheit
Beitritt löst keine neue Angelegenheit aus
Kommt es zu einem solchen Vergleichsbeitritt, dann liegt für den Anwalt, der die Partei und den, dem Vergleich Beitretenden vertritt, in allen Fällen nur eine einzige Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor. Der Anwalt erhält seine Vergütung also gem. § 15 Abs. 2 RVG nur einmal.
Beitritt eines weiteren Verfahrensbeteiligten zum Zwecke eines gemeinsamen Vergleichsabschlusses
Tritt der Zedent zum Zwecke des Vergleichsabschlusses einem Rechtsstreit bei und lässt er sich von demselben Anwalt vertreten wie der Zessionar, entstehen die Gebühren insgesamt nur einmal.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 3.12.2007 – 5 W 2195/07, AGS 2008, 279 = MDR 2008, 352 = RVGreport 2008, 259 = RVGprof. 2008, 131
III. Gebührenerhöhung oder Wertaddition?
Ausgehend davon, dass nur eine Angelegenheit abzurechnen ist, stellt sich jetzt die Frage, wie der Mehraufwand des Anwalts zu vergüten ist. Hier bestehen zwei Möglichkeiten:
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Für die Partei und den Beitretenden liegt derselbe Streitgegenstand zugrunde. |
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Der Vertretung von Partei und Beitretendem liegen verschiedene Gegenstände zugrunde. |
Im ersten Fall bleibt es beim einfachen Gegenstandswert. Allerdings tritt dann eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV ein.
Liegen dagegen unterschiedliche Streitgegenstände zugrunde, dann tritt keine Gebührenerhöhung ein; dafür sind dann allerdings die Werte der einzelnen Gegenstände zu addieren (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
IV. Die Vergütung
1. Derselbe Gegenstand
Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV
Liegt derselbe Gegenstand vor, bleibt es beim einfachen Gegenstandswert. Allerdings tritt dann eine Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV ein (OLG Nürnberg AGS 2008, 279 = MDR 2008, 352 = RVGreport 2008, 259 = RVGprof. 2008, 131).
Beispiel
Der Kläger macht gegen den Gesamtschuldner A Ansprüche i.H.v. 10.000,00 EUR geltend. Die Parteien einigen sich auf eine Zahlung von 6.000,00 EUR. Zum Zwecke des Vergleichsabschlusses tritt der Gesamtschuldner B bei und lässt sich dabei vom Anwalt des Gesamtschuldners A vertreten.
Die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV erhöht sich jetzt nach Nr. 1008 VV auf 1,6.
Die Terminsgebühr entsteht unabhängig davon, ob der Vergleich in einem Termin geschlossen worden ist (dann Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV) oder ob er nur schriftlich geschlossen wird (dann Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV).
Die Einigungsgebühr beläuft sich auf 1,0, da die Forderung anhängig ist.
Zu rechnen ist wie folgt:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV |
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892,80 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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669,60 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV |
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558,00 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.140,40 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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406,68 EUR |
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Gesamt |
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2.547,08 EUR |
2. Verschiedene Gegenstände
Erhöhung des Gegenstandswerts
Anders verhält es sich, wenn weitergehende Gegenstände in den Vergleich mit einbezogen werden. Dann erhöht sich der Gegenstandswert.
Beispiel
Der Kläger macht Pflichtteilsansprüche i.H.v. 10.000,00 EUR geltend. Die Parteien einigen sich schließlich, dass ein Pflichtteilsanspruch i.H.v. 7.000,00 EUR gezahlt wird. Zum Zwecke des Vergleichsabschlusses tritt der Bruder des Klägers bei, der seinerseits ebenfalls gegen Zahlung von 7.000,00 EUR auf weiter gehende Pflichtteilsansprüche (ursprünglich ebenfalls geforderte 10.000,00 EUR) gegen den Beklagten verzichtet. Er lässt sich ebenfalls vom Anwalt des Klägers vertreten.
a) Der Vergleich wird in einem Termin protokolliert.
b) Der Vergleich wird schriftlich geschlossen.
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