I. Ausgangslage
§ 15a RVG gilt auch in Altfällen
Mit Einführung des § 15a RVG ist geklärt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Geschäftsgebühr von dem Kostenerstattungsschuldner bereits erfüllt war, gegen ihn tituliert worden ist oder zeitgleich geltend gemacht wird (§ 15a Abs. 2 RVG).
In mehreren Entscheidungen hat der BGH einhellig – auch der VIII. Senat – entschieden, dass es sich bei § 15a RVG nicht um eine Gesetzesänderung handelt, sondern um eine Klarstellung der damals schon geltenden Rechtslage, so dass § 15a RVG auch in Altfällen anzuwenden ist.
- II. Senat: NJW 2009, 3101 = WM 2009, 2099 = GE 2009, 1310 = AGS 2009, 466 = AnwBl 2009, 798 = MDR 2009, 1311 = ZfSch 2009, 646 = Rpfleger 2009, 646 = JurBüro 2009, 638 = NJW-Spezial 2009, 683 = RVGreport 2009, 387 = Info M 2010, 89,
- IV. Senat: AGS 2010, 474; AGS 2010, 475,
- V. Senat: AGS 2010, 459 = RVGreport 2010, 343 = NJW-Spezial 2010, 605,
- VIII. Senat: AGS 2010, 473
- IX. Senat: AGS 2010, 159,
- XII. Senat: AGS 2010, 54 = MDR 2010, 471 = NJW-Spezial 2010, 156 = RVGreport 2010, 110 = AnwBl 2010, 295; AGS 2010, 106 = NJW-Spezial 2010, 251; AGS 2010, 256.
Nachfestsetzung ist möglich
Mit der Grundsatzentscheidung des II. Senats (AGS 2010, 580), ebenso OLG Celle (AGS 2010, 582), ist nunmehr auch geklärt, dass eine Nachfestsetzung möglich ist. Dies betrifft nicht nur die Fälle der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO, sondern auch die Vergütungsfestsetzung im Rahmen der Prozesskostenhilfe nach § 55 RVG.
II. Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO
Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach den §§ 103 ff. ZPO ist eine Nachfestsetzung grundsätzlich möglich. Ein Kostenerstattungsgläubiger kann Positionen, die er bislang nicht angemeldet hatte, später noch nachmelden. Er muss dann lediglich die Mehrkosten der Nachfestsetzung tragen.
Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses steht der Nachfestsetzung nicht entgegen
Einer Nachfestsetzung steht insbesondere nicht die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses entgegen, da in diesem nur über die angemeldeten Kosten entschieden worden ist, nicht aber über Kostenpositionen, die noch gar nicht angemeldet waren.
Daher kommt eine Nachfestsetzung der restlichen Verfahrensgebühr in Betracht, wenn
- der Kostenerstattungsgläubiger von vornherein lediglich den um die Anrechnung verminderten Restbetrag der Verfahrensgebühr zur Festsetzung angemeldet hatte, oder
- zwar die Verfahrensgebühr ursprünglich in voller Höhe zur Festsetzung angemeldet worden war, auf Hinweis des Gerichts dann aber der Festsetzungsantrag hinsichtlich des Anrechnungsbetrages zurückgenommen worden ist.
In beiden Fällen stand die weitergehende Verfahrensgebühr nicht (mehr) zur Entscheidung, so dass insoweit also auch keine Rechtskraft eingetreten sein kann. Der restliche Betrag der Verfahrensgebühr kann daher noch nachträglich zur Festsetzung angemeldet werden.
Keine Verjährung
Der bislang nicht angemeldete Teil der Verfahrensgebühr kann auch nicht verjährt sein, da nach Erlass der Kostengrundentscheidung eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt.
Keine Verwirkung
Auch der Einwand der Verwirkung dürfte kaum greifen. Unabhängig davon, ob die verstrichene Zeit bereits ausreicht, um eine Verwirkung anzunehmen, fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment. Eine Partei, die sich angesichts der einhelligen falschen Rechtsprechung auf einen Teil ihrer Forderung beschränkt hatte, hat damit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, den berechtigten weitergehenden Anspruch auch dann nicht geltend zu machen, wenn die Rspr. sich ändert. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass von vorneherein klar war, dass die Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt ist und sich durch den neuen § 15a RVG Änderungen der Rspr. ergeben können, so dass der Erstattungsschuldner nicht darauf vertrauen durfte, dass er wegen der weiteren Kosten nicht doch noch in Anspruch genommen werde.
Keine Nachfestsetzung, wenn bereits rechtskräftig entschieden
Ausgeschlossen ist die Nachfestsetzung nur, wenn die volle Verfahrensgebühr zur Festsetzung angemeldet worden war und das Gericht einen Teil der Verfahrensgebühr wegen Anrechnung der Geschäftsgebühr abgesetzt hatte. Dann ist über die gesamte Verfahrensgebühr – wenn auch in der Sache falsch, aber rechtskräftig – entschieden.
Der Antrag auf Nachfestsetzung ist wie ein gewöhnlicher Festsetzungsantrag beim Gericht des ersten Rechtszugs zu stellen. Besonderheiten sind hier nicht zu beachten.
In Anbetracht dessen, dass die aktuellen Entscheidungen des BGH sowie des OLG Celle vielen Gerichten noch nicht bekannt sein dürften, sollte im Festsetzungsantrag allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen werden:
Muster: Nachfestsetzung
An das … [Gericht]
In dem Verfahren
… ./. …
wird im Wege der Nachfestsetzung beantragt, weitere … EUR gegen den Kläger/Beklagten festzusetzen und gesetzliche Verzinsung auszusprechen.
In dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsverfahren hatte meine Partei die bei ihr angefallenen Anwaltskost...