Schließen die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren einen Vergleich, nutzen sie häufig die Gelegenheit, in diesen Vergleich auch weitere nicht anhängige Gegenstände mit einzubeziehen, um eine Gesamtbereinigung vorzunehmen.
Einigungsgebühr entsteht aus Gesamtwert
Erkannt wird i.d.R., dass sich dann die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) aus einem höheren Wert berechnet und darüber hinaus aus dem Mehrwert sogar die 1,5-Einigungsgebühr anfällt (allerdings unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG).
Aus Mehrwert entsteht Verfahrensdifferenzgebühr
Ebenso wird auch noch häufig – aber nicht immer – erkannt, dass sich auch der Wert der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) erhöht und aus dem Mehrwert eine ermäßigte 0,8-Verfahrensdiffernezgebühr entsteht.
Terminsgebühr entsteht aus Gesamtwert
Allzu häufig wird jedoch übersehen, dass aus dem Mehrwert auch die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV anfällt. Eine Terminsgebühr setzt nämlich ebenfalls keine Anhängigkeit voraus. Es reicht, dass ein Verfahrensauftrag besteht. Ein solcher ausreichender Verfahrensauftrag liegt schon darin, in einem Verfahren weitere Ansprüche mitzuerledigen. Wird dann über diese Ansprüche gesprochen, löst dies eine Terminsgebühr aus, und zwar nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV (Besprechung zur Vermeidung eines Verfahrens). Ein Mehrvergleich über nicht anhängige Gegenstände dient nämlich immer auch dazu, ein (späteres) Verfahren über diese Gegenstände zu vermeiden.
Schriftlicher Vergleich reicht aus
Das gilt aber auch dann, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, da nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV die Terminsgebühr auch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs entsteht, und zwar auch aus dem Mehrwert. Voraussetzung ist allerdings ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung.
Wird in einem Rechtsstreit mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, ohne dass ein mündlicher Verhandlungstermin stattfindet, so erhält der bevollmächtigte Anwalt eine 1,2-Termingebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Hierbei fällt die Termingebühr, wenn in den Vergleich nicht rechtshängige Ansprüche einbezogen worden sind, grundsätzlich aus dem Gesamtstreitwert an.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2009 – 9 W 340/09, AGS 2010, 161 = ErbR 2010, 162 = MDR 2010, 720 = JurBüro 2010, 302 = NJW-Spezial 2010, 188
Beispiel
Eingeklagt sind 5.000,00 EUR. Das Gericht schlägt den Parteien schriftlich einen Vergleich vor, wonach zum Ausgleich der Klageforderung unter Einbeziehung einer weiteren nicht anhängigen Forderung i.H.v. 2.000,00 EUR ein bestimmter Betrag gezahlt werden soll und damit beide Forderungen erledigt sein sollen. Die Parteien stimmen schriftlich dem Vergleichsvorschlag zu, so dass das Zustandekommen des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wird. Das Gericht setzt den Wert des Verfahrens auf 5.000,00 EUR und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.000,00 EUR fest.
Die Verfahrensgebühr ist aus dem Gesamtwert von 7.000,00 EUR angefallen, wobei hinsichtlich des Mehrwerts von 2.000,00 EUR eine vorzeitige Erledigung nach Nr. 3101 Nr. 1 VV vorliegt, so dass sich die Verfahrensgebühr unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG auf 0,8 ermäßigt.
Die Einigungsgebühr entsteht ebenfalls aus 7.000,00 EUR, und zwar aus 2.000,00 EUR zu 1,5 (Nr. 1000 VV) und aus 5.000,00 EUR zu 1,0 (Nr. 1003 VV). Auch hier ist § 15 Abs. 3 RVG zu beachten.
Die Terminsgebühr entsteht jetzt nicht nur aus dem Wert der anhängigen Gegenstände, sondern aus dem Gesamtwert, da der Anwalt am Abschluss eines schriftlichen Vergleichs über 7.000,00 EUR mitgewirkt hat (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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393,90 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV |
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120,00 EUR |
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(Wert: 2.000,00 EUR) |
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(die Grenze gem. § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als |
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1,3 aus 7.000,00 EUR [526,50 EUR], |
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ist nicht überschritten) |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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486,00 EUR |
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(Wert: 7.000,00 EUR) |
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4. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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303,00 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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5. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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225,00 EUR |
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(Wert: 2.000,00 EUR) |
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(die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als |
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1,5 aus 7.000,00 EUR [607,50 EUR], |
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ist nicht überschritten) |
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6. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.547,90 EUR |
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7. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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294,10 EUR |
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Gesamt |
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1.842,00 EUR |
Auch privatschriftlicher Vergleich genügt
Dabei muss es sich noch nicht einmal um einen gerichtlichen Vergleich oder einen gerichtlich festgestellten Vergleich handeln. Ausreichend ist auch ein einfacher privatschriftlicher Vergleich.
Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich
Schließen die Parteien während des Rechtsstreits außergerichtlich einen schriftlichen Vergleich, löst dies bereits eine Terminsgebühr aus. Ein gerichtlich protokollierter oder nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellter Vergleich ist nicht erforderlich.
OLG Köln, Beschl. v. 6.4.2016 – 17 W 67/16, AGS 2016, 3...