Einführung

Eine für den Mandanten ausgehandelte Einigung hat mitunter keinen Bestand, weil sie einer Genehmigung bedarf, die nicht erteilt wird, weil sie nur unter einer Bedingung zustande gekommen ist, die nicht eingetreten ist, weil eine Partei vom Vergleich zurücktritt, diesen widerruft oder anficht oder weil der Vergleich später einvernehmlich wieder aufgehoben wird. Es stellt sich dann die Frage, ob die Einigungsgebühr entsteht bzw. bestehen bleibt.

I. Genehmigungsbedürftige Einigung

Einigungsgebühr entsteht erst mit Genehmigung

Schließen die Parteien eine Einigung, die einer Genehmigung bedarf, so entsteht die Einigungsgebühr erst mit Erteilung der Genehmigung (OLG Koblenz JurBüro 1982, 1829; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., 2015, Nr. 1000 VV Rn 60). Nach a.A. (OLG Zweibrücken JurBüro 1983, 226) soll die Einigungsgebühr bereits mit der Vereinbarung entstehen, nicht erst mit der Genehmigung. Das dürfte allerdings unzutreffend sein, wie sich aus Anm. Abs. 3 zu Nr. 1000 VV ergibt.

II. Bedingte Einigung

1. Aufschiebende Bedingung

Einigungsgebühr entsteht erst mit Bedingungseintritt

Schließen die Parteien eine Einigung unter einer aufschiebenden Bedingung, so wird die Einigungsgebühr erst ausgelöst, wenn die Bedingung eingetreten ist (Anm. Abs. 3, 1. Alt. zu Nr. 1000 VV). Die Bedingung kann von den Parteien ausdrücklich vereinbart worden sein. Sie kann sich auch aus den Umständen ergeben.

Eine solche Bedingung, die sich aus den Umständen ergibt, liegt z.B. im Falle einer Scheidungsfolgenvereinbarung vor. Hier entsteht die Einigungsgebühr erst mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses, da eine Scheidungsfolgenvereinbarung kraft ihrer Definition unter der Bedingung der Rechtskraft der Scheidung steht (OLG Hamm JurBüro 1981, 382; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1683; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Nr. 1000 VV Rn 81).

2. Auflösende Bedingung

Einigungsgebühr bleibt von auflösender Bedingung unberührt

Anders verhält es sich dagegen bei einer auflösenden Bedingung. Hier entsteht die Einigungsgebühr mit Abschluss der Einigung (arg e Anm. Abs. 3, 1. Alt. zu Nr. 1000 VV). Sie fällt auch dann nicht mehr weg, wenn die auflösende Bedingung eintritt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Nr. 1000 VV Rn 74).

III. Einigung unter Widerrufsvorbehalt

Einigungsgebühr entsteht erst mit Ablauf der Widerrufsfrist

Schließen die Parteien eine Einigung unter dem Vorbehalt des Widerrufs, so vereinbaren sie damit ein vertragliches Rücktrittsrecht nach den §§ 346 ff. BGB. Nach materiellem Recht kommt die Einigung mit ihrem Abschluss wirksam zustande. Ungeachtet dessen ordnet Anm. Abs. 3, 2. Alt. zu Nr. 1000 VV jedoch an, dass die Einigungsgebühr erst dann entsteht, wenn die Einigung nicht mehr widerrufen werden kann, also wenn ein vertraglicher Rücktritt von der Einigung nicht mehr möglich ist. Unerheblich ist, ob der Mandant während der Widerrufsfrist verstirbt (OVG Lüneburg KostRsp. BRAGO § 23 Nr. 13).

Nicht erforderlich ist, dass beiden Parteien ein Widerrufsvorbehalt eingeräumt worden ist. Auch für den Rechtsanwalt, der die Einigung ohne Widerrufsvorbehalt abschließt, entsteht die Einigungsgebühr erst, wenn die Widerrufsfrist für die Gegenseite abgelaufen ist. Widerruft die Gegenseite, entsteht für keinen der beteiligten Anwälte eine Einigungsgebühr (OLG Frankfurt JurBüro 1979, 849).

IV. Anfechtung der Einigung

Anfechtung führt zum Wegfall der Einigungsgebühr

Wird eine Einigung im Nachhinein angefochten, so gilt sie damit nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig. Diese Rechtsfolge ist auch für das Gebührenrecht zu beachten, so dass eine Einigungsgebühr nicht anfällt (OLG Jena AGS 2012, 127 = JurBüro 2012, 142 = NJW-Spezial 2012, 123; OLG München MDR 1991, 263 = AnwBl 1991, 273; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, Nr. 1000 VV Rn 89).

Die Gegenauffassung (OLG Schleswig SchlHA 1991, 67 = JurBüro 1991, 932; OLG Karlsruhe OLGR 1999, 332) vermag nicht zu überzeugen. Ist die Einigung nach materiellem Recht nichtig, so haben es die Anwälte gerade nicht erreicht, eine Erledigung durch Einigung herbeizuführen. Der angestrebte Erfolg ist nicht eingetreten. Hinzu kommt, dass infolge der Anfechtung der Einigung die Angelegenheit nicht erledigt ist und den Anwälten ohnehin weitere Gebühren entstehen. Es ist ihnen unbenommen, erneut eine – diesmal wirksame – Einigung abzuschließen.

V. Hinfälligwerden der Einigung

Hinfälligkeit der Einigung berührt die Gebühr nicht

Wird eine Einigung hinfällig, weil eine Partei sich an die Einigung nicht hält und nach der Vereinbarung in diesem Fall die sich aus den Einigung ergebenden Rechtsfolgen nicht mehr gelten sollen, hat dies auf die Einigungsgebühr keinen Einfluss. Die Einigung als solche bleibt in diesem Fall bestehen. Es fallen lediglich die primären Regelungen weg und es treten dann die in der Einigung vorgesehenen sekundären Regelungen ein.

 

Beispiel 1

Die Parteien vereinbaren, dass der Schuldner 10.000,00 EUR nebst Zinsen zu zahlen habe. Sofern er fünf monatliche Raten zu 1.000,00 EUR zahlt, soll der Restbetrag erlassen sein. Kommt der Schuldner mit einer Rate in Verzug, soll der dann noch offene Restbetrag sofort fällig sein. Nach zwei Raten zahlt der Schuldner nicht mehr.

Zwar werden mit Eintritt des Verzugs die Ratenzahlung...

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