Werden im Strafverfahren vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben geltend gemacht (§§ 403 ff. StPO), so entstehen neben den Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV zusätzliche Wertgebühren. Das gilt sowohl für den Verteidiger als auch für den Vertreter eines sonstigen Beteiligten, etwa eines Neben- oder Privatklägers (Vorbem. 4 Abs. 1 VV).
Die Höhe der Wertgebühren bestimmt sich nach den Beträgen des § 13 RVG und im Falle der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung ab Werten von über 3.000,00 EUR nach den Beträgen des § 49 RVG.
Das Adhäsionsverfahren stellt gegenüber dem Strafverfahren keine eigene Angelegenheit i.S.d. § RVG dar, sondern gehört gem. § 19 Abs. 1 RVG, Vorbem. 4.1 VV mit zum Strafverfahren.
Wird der Anwalt ausschließlich im Adhäsionsverfahren tätig, handelt es sich nicht um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV. Für ihn gelten, obwohl er nicht Verteidiger oder Vertreter oder Beistand nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV ist, dennoch die Nrn. 4143, 4144 VV (Vorbem. 4.3 Abs. 2 VV).
Im erstinstanzlichen Adhäsionsverfahren entsteht eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag erstmals im Berufungsverfahren gestellt wird (Anm. Abs. 1 zu Nr. 4143 VV).
Im Verfahren über die Berufung gegen eine Adhäsionsentscheidung entsteht eine 2,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 4144 VV.
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so erhöhen sich die Verfahrensgebühren der Nrn. 4143, 4144 VV nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gegenstand des Adhäsionsverfahrens für die mehreren Auftraggeber derselbe ist. Anderenfalls werden gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG; § 22 Abs. 1 RVG lediglich die Werte zusammengerechnet.
Eine Terminsgebühr ist im Adhäsionsverfahren nicht vorgesehen. Die mündliche Verhandlung über die gestellten Anträge wird durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten.
Möglich ist allerdings eine Einigungsgebühr, die sich nach den allgemeinen Vorschriften richtet, also nach den Nrn. 1000 VV ff. Soweit die Parteien sich über Forderungen einigen, die im Adhäsionsverfahren anhängig sind, entsteht lediglich die ermäßigte 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV; wird eine Einigung über Ansprüche getroffen, die im Berufungsverfahren anhängig sind, so entsteht eine 1,3-Einigungsgebühr (Nr. 1004 VV). Werden Ansprüche (mit-)verglichen, die nicht anhängig sind, so entsteht aus dem (Mehr-) Wert eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV. Sofern mehrere Einigungsgebühren entstehen, darf nach § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr abgerechnet werden, als eine Gebühr aus dem höchsten Satz nach dem Gesamtwert.
Darüber hinaus sieht Nr. 4145 VV in Ausnahme zu Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV ausnahmsweise eine Beschwerdegebühr vor. Danach entsteht eine 0,5-Verfahrensgebühr für das Verfahren über eine Beschwerde nach § 406 Abs. 5 StPO, also für ein Verfahren über eine Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts, über den Adhäsionsantrag nicht entscheiden zu wollen.
Sofern im erstinstanzlichen Adhäsionsverfahren keine Entscheidung ergeht, sind die Verfahrensgebühren der Nrn. 4143, 4144 VV zu einem Drittel auf die Gebühren eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4143 VV).
Da das Adhäsionsverfahren Gerichtsgebühren nur dann auslöst, wenn das Gericht dem Antrag stattgibt (Nr. 3700 GKG KostVerz.), muss es auch nur in diesen Fällen nach § 63 Abs. 2 GKG einen Streitwert von Amts wegen festsetzen. In allen anderen Fällen ist es zur Streitwertfestsetzung nur befugt und verpflichtet, wenn einer der Beteiligten einen Antrag auf Streitwertfestsetzung im Verfahren nach § 33 RVG stellt.
Beispiel 1
Adhäsionsverfahren in erster Instanz
Im Strafverfahren macht der Verletzte einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 3.000,00 EUR geltend. Es kommt zur Hauptverhandlung, in der der Angeklagte auch zur Zahlung des Schmerzensgeldes verurteilt wird.
Neben den sonstigen Gebühren fällt eine 2,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV aus dem Wert der geltend gemachten Ansprüche an.
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
165,00 EUR |
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2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
140,00 EUR |
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3. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
230,00 EUR |
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4. |
2,0-Verfahrensgebühr, Nr. 4143 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
378,00 EUR |
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5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
933,00 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
177,27 EUR |
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Gesamt |
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1.110,27 EUR |
Beispiel 2
Vertretung mehrerer Auftraggeber, derselbe Gegenstand
Der Anwalt ist von drei Erben beauftragt, übergegangene Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen in Höhe von 10.000,00 EUR im Wege des Adhäsionsverfahrens einzuklagen.
Sowohl die Verfahrensgebühr der Nr. 4106 VV als auch die Verfahrensgebühren der Nr. 4143 erhöhen sich nach Nr. 1008 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
165,00 EUR |
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2. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 4106, 1008 VV |
224,00 EUR |
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3. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
230,00 EUR |
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4. |
2,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 4143, 1008 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
1.263,60 EUR |
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5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.90... |