Die Entscheidung ist unzutreffend und widerspricht auch dem Willen des Gesetzgebers.
Das Wort "lediglich" wird hier falsch interpretiert.
Das Wort "lediglich" bezieht sich darauf, dass lediglich Prozesskostenhilfe für die Protokollierung beantragt wird und nicht für die Durchführung des Verfahrens, dass also zur Sache selbst keine Anträge gestellt werden, was bei nicht anhängigen Gegenständen naturgemäß nicht der Fall ist.
Die hier vom LAG Nürnberg vertretene Auffassung vermag auch nicht den Widerspruch zu erklären, dass unterschiedlich zu rechnen wäre, je nachdem, ob erst der Vergleich geschlossen und dann Prozesskostenhilfe bewilligt wird oder umgekehrt.
Beispiel
Der beigeordnete Anwalt schließt im Verfahren einen Vergleich über nicht anhängige Gegenstände.
a) Vor Abschluss des Vergleichs wird die Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs erstreckt.
b) Die Erstreckung erfolgt erst nach Abschluss des Vergleichs.
Im Fall a) wäre nach der Auffassung des LAG Nürnberg nur eine 1,0-Gebühr anzusetzen.
Im Fall b) müsste jedoch auch nach der vom LAG Nürnberg vertretenen Auffassung eine 1,5-Gebühr angesetzt werden, da zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses der Mehrwert nicht anhängig ist, auch nicht in einem PKH-Bewilligungsverfahren.
Wird erst im Nachhinein die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, was nach der Rspr. des BAG bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig ist, kann dies aber nicht mehr nachträglich zur Anhängigkeit führen. Mit Abschluss des Vergleichs ist die Sache nämlich bereits erledigt. So auch:
Beantragt die Partei Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich, führt dies bezogen auf die nicht rechtshängigen Gegenstände des Vergleichs nicht zu einer Reduzierung des Gebührensatzes auf 1,0 gem. Anm. Abs. 1 S. 1 Alt. 1 zu Nr. 1003 VV. Dies gilt zumindest dann, wenn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich erst nach der entsprechenden Vergleichsprotokollierung gestellt wurde.
LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 11.4.2017 – 5 Ta 36/17
Zu beachten ist, dass die Reduzierung der Einigungsgebühr, so wie sie das LAG Nürnberg vornimmt, nicht nur für den Anwalt der bedürftigen Partei gilt, sondern auch für den Anwalt der vermögenden Partei. Eine relative Anhängigkeit gibt es nicht. Entweder ist die Sache anhängig oder nicht.
Nach Auffassung des LAG Nürnberg könnte also auch der Anwalt der vermögenden Partei nur die 1,0-Einigungsgebühr abrechnen.
Gegen Entscheidungen im Rahmen der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung ist eine Rechtsbeschwerde leider nicht möglich, sodass die Frage auf diesem Wege nicht zum BGH gelangen kann.
Im Rahmen der Kostenerstattung der Wahlanwaltsvergütung, für die sich die Frage ja – wie bereits ausgeführt – ebenso stellt, ist aber die Rechtsbeschwerde eröffnet. Hier muss versucht werden, die Sache endlich einmal in die Rechtsbeschwerde zu bringen, damit der BGH ein Machtwort spricht.
Rechtsanwalt Norbert Schneider