Es ist zu begrüßen, dass das OVG Berlin-Brandenburg schon vor dem Inkrafttreten des in seinem Fall noch nicht anwendbaren KostRÄG 2021 den Anfall der Terminsgebühr auch bei Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, sei er auf Initiative des Gerichts oder ohne dessen Initiative geschlossen worden, bejaht.
Unter welchen Voraussetzungen dem Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs eine Terminsgebühr zusteht, wird in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten unterschiedlich beurteilt. Dabei geht es insbesondere um zwei Voraussetzungen des Gebührentatbestandes.
1. Vergleichs- oder Einigungsvertrag
Ob es sich um einen Vergleichsvertrag i.S.v. § 779 BGB handeln muss (so Hansens, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 236; Toussaint, in: Kostenrecht, 50 Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 41) oder ob der Abschluss eines Einigungsvertrags i.S.v. Nr. 1000 VV genügt (so Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 65), ist in der Lit. umstritten. Das KostRÄndG 2021 hat durch Neufassung von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV klargestellt, dass der Abschluss eines Einigungsvertrages i.S.d. Nr. 1000 VV ausreicht, ein gegenseitiges Nachgeben i.S.v. § 779 BGB also nicht erforderlich ist. Diese Neufassung gilt nach § 60 RVG allerdings nur für die ab dem 1.1.2021 erteilten Aufträge (zum neu geregelten Übergangsrecht s. ausf. N. Schneider, AGS 2021, 1 ff.), sodass für Altfälle der Streit weiterhin praktische Bedeutung hat. Angesichts der Neuregelung sollte Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV i.S.d. Anwaltschaft und aufgrund der Entlastungsfunktion der Gebührenregelung auch in Altfällen auf den Abschluss eines Einigungsvertrages angewandt werden.
2. Schriftlicher Vergleich
a) Zivilgerichtsbarkeit
Mit seiner grundlegenden Entscheidung v. 7.5.2020 (AGS 2020, 371 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2020, 343 [Hansens] = zfs 2020, 464 m. Anm. Hansens) hat der BGH jedenfalls für die Zivilgerichtsbarkeit die Anwendung der Gebührenvorschrift von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Rspr. und Lit. geklärt, wann ein "schriftlicher Vergleich" vorliegt. Was ein Vergleich ist, ist in § 779 BGB geregelt. Wann der Vergleich schriftlich ist, kann § 126 BGB entnommen werden. Zutreffend weist der BGH darauf hin, dass der Gebührentatbestand in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV für den schriftlichen Vergleich keine weiteren Voraussetzungen erfordert, insbesondere auch nicht den Abschluss eines Vergleichs vor Gericht in der Form des § 278 Abs. 6 ZPO.
b) Arbeitsgerichtsbarkeit
Auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit setzt der Anfall der Terminsgebühr nicht voraus, dass ein schriftlich angenommener Vergleich auf einem in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlags des Gerichts beruht oder dass das Zustandekommen und der Inhalt des schriftlich angenommenen Vergleichs durch Beschluss des Gerichts festgestellt wird (LAG Hamburg RVGreport 2011, 110 [Hansens]).
c) Sozialgerichtsbarkeit
Demgegenüber ist die Frage, wann ein schriftlicher Vergleich i.S.d. insoweit mit Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV übereinstimmenden Regelung in Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV vorliegt, in der Sozialgerichtsbarkeit immer noch heftig umstritten. Eine entsprechende Entscheidung des BSG liegt nicht vor.
Nach Auffassung einiger Sozialgerichte erfordert die Terminsgebühr nach Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG oder nach § 278 Abs. 6 ZPO i.V.m. § 202 SGG (so etwa LSG NRW NZS 2015, 560; Bay. LSG RVGreport 2015, 342 [Hansens] = JurBüro 2015, 467; Nds. LSG RVGreport 2015, 461 [Ders.] = AGS 2016, 69 m. Anm. Hinne und N. Schneider; LSG Niedersachsen-Bremen RVGreport 2019, 137 [Ders.]).
Die im Vordringen befindliche Auffassung in der Sozialgerichtsbarkeit lässt demgegenüber auch einen außergerichtlichen schriftlichen Vergleich für den Anfall der Terminsgebühr genügen (LSG Mecklenburg-Vorpommern RVGreport 2018, 380 [Hansens]; LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 455 [Ders.]; SG Neuruppin AGS 2016, 569; SG Dessau-Roßlau AGS 2017, 220 und die ganz überwiegende Auffassung in der Kommentar-Lit.).
d) Verwaltungsgerichtsbarkeit
Auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit setzt sich die Auffassung durch, dass ein schriftlicher Vergleich i.S.v. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV nicht allein ein Prozessvergleich gem. § 106 VwGO ist, sondern auch ein auf andere Weise geschlossener Vergleich (s. Hess. VGH RVGreport 2020, 260 [Hansens]; a.A. OVG Berlin-Brandenburg AGS 2018, 10, das seine Auffassung mit dieser Entscheidung aufgegeben hat).
3. Rechtslage ab 1.1.2021
Aufgrund der Änderung von Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV – und übrigens auch von S. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV – steht für die ab 1.1.2021 erteilten Aufträge (zum Übergangsrecht s. ausf. N. Schneider, AGS 2021, 1 ff.) fest:
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Es genügt der Abschluss eines schriftlichen Einigungsvertrags i.S.d. Nr. 1000 VV. |
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Dieser Einigungsvertra... |