I. Fragen
1. Fall 1
Der in Berlin wohnhafte Kläger K lässt sich für den vor dem LG Hamburg betriebenen Rechtsstreit durch den in Berlin kanzleiansässigen Rechtsanwalt A als Prozessbevollmächtigten vertreten. Das LG Hannover hat einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt.
Welche gebühren- und erstattungsrechtlichen Überlegungen wird Rechtsanwalt A hinsichtlich der Wahrnehmung dieses Verhandlungstermins anstellen?
2. Fall 2
Antragsteller A hat die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Nachdem das Gutachten vorliegt, hat der Antragsgegner beantragt, den Antragsteller zur Klageerhebung aufzufordern. Der Antragsteller kam der gerichtlichen Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, sodass das Gericht ihm gem. § 494a ZPO die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt hat. Einige Monate später erhebt der Antragsteller die Hauptsacheklage. Im Verlaufe des Rechtsstreits schließen die Parteien einen Vergleich.
Welche Überlegungen müssen der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers (= Klägers) einerseits und der Rechtsanwalt des Antragsgegners (= Beklagten) andererseits hinsichtlich der Kostenregelung im Vergleich anstellen?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers Rechtsanwalt A wird Überlegungen in drei Richtungen anstellen.
I. Eigene Anreise zum Termin
Eine Möglichkeit ist es, dass Rechtsanwalt A zu dem Verhandlungstermin vor dem LG Hannover selbst anreist und mit der Bahn fährt. Für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins fällt Rechtsanwalt A nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 und Nr. 3104 VV eine 1,2-Terminsgebühr an. An Fahrtkosten kann er nach Nr. 7004 VV die Kosten für die Bahnfahrt in der ersten Wagenklasse, etwaige Auslagen für die Fahrten zum Bahnhof in Berlin und vom Bahnhof Hannover zum LG und zurück (Nr. 7006 VV) sowie das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV abrechnen.
Seine Gebühren und die Fahrtkosten sind nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO erstattungsfähig. Dies gilt selbst dann, wenn die Mehrkosten bei Einschaltung eines Terminsvertreters geringer gewesen wären.
II. Rechtsanwalt A beauftragt einen Terminsvertreter für den Kläger
Als weitere Möglichkeit wird Rechtsanwalt A in Betracht ziehen, seinem Mandanten zu empfehlen, einen Terminsvertreter für die Wahrnehmung des Verhandlungstermins vor dem LG Hannover zu beauftragen. Dieser verdient dann eine 0,65-Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 i.V.m. Nr. 3100 VV sowie für die Wahrnehmung des Termins eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3201 i.V.m. Nr. 3104 VV. Die Vergütung des Terminsvertreters schuldet der Kläger aufgrund des mit dem Terminsvertreter geschlossenen Anwaltsdienstvertrags.
Die hierdurch anfallenden Mehrkosten sind erstattungsfähig, soweit sie die ersparten – fiktiven – Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A nicht um mehr als 10 % übersteigen.
III. Rechtsanwalt A beauftragt einen Terminsvertreter im eigenen Namen
In diesem Fall verdient der Terminsvertreter gem. § 5 RVG die Terminsgebühr für Rechtsanwalt A, der sie dann auch gegenüber seinem Mandanten abrechnen kann. Die zwischen den beiden Rechtsanwälten ohne Bindung an die Vorgaben des RVG vereinbarte Vergütung gehört nach ganz h.A. nicht zu den nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV abrechenbaren Aufwendungen des Rechtsanwalts. Diese Vergütung schuldet allein der Prozessbevollmächtigte des Klägers, weil nur zwischen diesen beiden Anwälten vertragliche Beziehungen bestehen.
Erstattungsfähig sind nur die dem Rechtsanwalt A tatsächlich angefallenen Gebühren und Auslagen einschließlich der durch die Tätigkeit des Terminsvertreters verdienten Terminsgebühr. Weitere Aufwendungen in Höhe ersparter Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A sind nach ganz h.A. in der Rspr. nicht erstattungsfähig.
2. Lösung zu Fall 2
I. Überlegungen des Beklagtenvertreters
Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten muss darauf achten, für seinen Mandanten eine möglichst günstige Kostenregelung hinsichtlich der Hauptsache zu erzielen. Die Kosten des vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens wird er bei den Vergleichsverhandlungen nicht ansprechen, da hierüber bereits in dem rechtskräftig gewordenen Kostenbeschluss zugunsten des Beklagten entschieden worden ist.
II. Überlegungen des Klägervertreters
Der Klägervertreter wird hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits vergleichbare Überlegungen anstellen, um ein für seinen Mandanten möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens wird der Klägervertreter ebenfalls zum Gegenstand der Vergleichsverhandlungen machen. Erzielen die Parteien auch insoweit eine Einigung, die auch die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens mit erfasst und die dann für den Kläger günstiger ist, als die vollständige Kostenlast aus dem Beschluss nach § 494a ZPO, so muss in der Kostenregelung des Vergleichs ausdrücklich vereinbart werden, dass der Kostenbeschluss abgeändert wird.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 2/2022, S. 58 - 59