1. Beiordnungszeitraum
Maßgeblich für den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Landes- bzw. Staatskasse ist der Umfang der Beiordnung nach § 48 Abs. 1 RVG. Der Vergütungsanspruch ist damit letztlich Grund und Höhe nach von dem Beiordnungs- bzw. Bewilligungsbeschluss des Gerichts abhängig.
Von der Beiordnung sind grds. alle in der gerichtlichen Angelegenheit gesetzlich entstandenen Gebühren erfasst; eine besondere Beiordnung für den Abschluss eines (Mehr-)Vergleichs oder einer Zahlungsvereinbarung bedarf es in sozialrechtlichen Verfahren nicht.
a) Gesetzlicher Regelfall
Gem. § 48 Abs. 4 RVG erstreckt sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen nach § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstehen (Verfahren nach § 183 SGG), auf sämtliche anwaltlich erbrachten Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der PKH, sofern vom Gericht nicht ein anderes bestimmt ist. Ferner erstreckt sich die Beiordnung auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die PKH einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit.
Wird die Klageschrift zugleich mit dem Antrag auf Beiordnung und Bewilligung von PKH eingereicht, dient die Klageschrift regelmäßig auch der Begründung des PKH-Antrages (Erfolgsaussicht und fehlende Mutwilligkeit) und ist demnach bei der Gebührenbestimmung zu berücksichtigen. Auch anwaltliche Tätigkeiten nach Antragstellung auf PKH bis zur abschließenden Bewilligung sind zu berücksichtigen.
Grds. ist damit der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand des beigeordneten Rechtsanwalts im Verfahren auch vor dem Wirksamwerden der Beiordnung zu berücksichtigen und zu vergüten. Gleiches gilt für alle sonstigen Tätigkeiten im PKH-Prüfungsverfahren.
Erfolgte im laufenden Verfahren eine Bewilligung von PKH ohne die Bestimmung eines abweichenden Zeitraumes, so gilt die Bewilligung ab erstmaliger Tätigkeit unabhängig davon, wann die tatsächliche Bewilligungsreife vorgelegen hat und die notwendigen Unterlagen tatsächlich bei Gericht eingegangen sind (LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.6.2020 – L 5 AS 244/18 B).
b) Abweichender Zeitpunkt im Bewilligungsbeschluss
Abweichend von dem obigen Grundsatz der Gesamtverfahrensberücksichtigung kann das Gericht die Beiordnung jedoch mit einer zeitlichen Beschränkung versehen ("wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist"), wenn ein sachlicher und rechtfertigender Grund vorliegt (§ 48 Abs. 4 S. 1 2 HS RVG).
Ein dementsprechender Grund kann vorliegen, wenn der Antragsteller hierfür durch sein Verhalten schuldhaft Anlass gibt, etwa weil die Bewilligungsreife des PKH-Antrages bei Klageeingang mangels vollständiger Angaben nicht gegeben war. Dies ist in der Praxis allzu oft wegen generellem Fehlen bzw. unvollständiger Vorlage der PKH-Unterlagen der Fall. Die persönliche und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Antragstellers ist gem. § 294 ZPO i.V.m. § 73a SGG durch geeignete Nachweise glaubhaft zu machen. Fehlt es bei dieser Glaubhaftmachung an grundlegend benötigten Unterlagen wie bspw. Kontoauszügen, Verdienstbescheinigungen oder Leistungsbescheiden, ist der Antrag auf Bewilligung von PKH nicht bewilligungsreif und das Gericht ist gezwungen, eine abweichende Regelung respektive Einschränkung des Bewilligungszeitraumes zu treffen. Gleiches kann gelten, wenn zu den Erfolgsaussichten der Klage erst nach Antragstellung auf PKH vorgetragen wird.
Sofern das Gericht eine abweichende Bestimmung trifft, kann nach Einführung des § 48 Abs. 4 RVG mit seinem heutigen Inhalt durch das 2. KostRMoG (Artikel 8 Gesetz v. 23.7.2013 BGBl I, 2586) zum 1.8.2013 dann bei Bemessung der anwaltlichen Tätigkeit nur der Teil des Verfahrens zur Ausfüllung der Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den PKH bewilligt und der Anwalt auch beigeordnet worden ist (Hess. LSG, Beschl. v. 10.7.2015 – L 2 SF 11/15 E, AGS 2016, 197; vgl. im Fall einer vorherigen Ablehnung eines PKH-Antrages Thür. LSG, Beschl. v. 5.5.2020 – L 1 SF 1398/19 B).
Der Wirkzeitraum der PKH hat dabei die Bedeutung eines Einzelfallkriteriums, welcher bei der im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG vorzunehmenden Gesamtabwägung der Bemessungskriterien zu berücksichtigen ist.
Maßgeblich für die Bemessung der einzelnen Rahmengebühr ist demnach in Abweichung vom Regelfall nicht das gesamte Verfahren, sondern lediglich der konkrete Beiordnungszeitraum bzw. Teil des Verfahrens, für den die Beiordnung in zeitlicher Hinsicht erfolgte (Hess. LSG, Beschl. v. 28.4.2014 – L 2 AS 708/13 B; Beschl. v. 10.7.2015 – L 2 SF 11/15 E; Beschl. v. 17.6.2019 – L 2 AS 241/18 B; LSG NRW, Beschl. v. 26.4.19 – L 19 AS 234/19 B; a.A. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.10.2020 – L 14 AS 300/20 B PKH). Hat das Gericht also PKH ab einem bestimmten Datum bewilligt, ist die davor liegende anwaltliche Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (unter Aufgabe der bisherigen Rspr.: LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17.6.2020 – L 5 AS 465/19 B; SG Wiesbaden, Beschl. v. 17.4.2018 – S. 12 SF 199/16 E).
Zur Verhinderung eines vermeidbaren Verlustes des Gebührenanspruches f...