Ob zunächst angerechnet und dann nach § 15 Abs. 3 RVG gekürzt wird oder zunächst gekürzt und dann angerechnet, kann für das Ergebnis entscheidend sein. Für den Anwalt ist es i.d.R. günstiger, wenn mit dem OLG Stuttgart und dem OLG Karlsruhe erst angerechnet und dann gekürzt wird.

 
Praxis-Beispiel

Der Anwalt war für den Kläger nach einem Gegenstandswert von 120.000,00 EUR außergerichtlich tätig geworden und hatte dafür ausgehend von einer Mittelgebühr (1,5) abgerechnet.

I. Außergerichtliche Tätigkeit

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV    
  (Wert: 120.000,00 EUR)   2.146,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV    20,00 EUR
  Zwischensumme 2.166,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV    411,64 EUR
Gesamt 2.578,14 EUR

Hiernach kam es zum Rechtsstreit, der durch einen Vergleich erledigt wurde. In diesen Vergleich wurde auch eine weitere nicht anhängige Forderung in Höhe von 23.452,00 EUR mit aufgenommen.

Im Rechtsstreit entsteht jetzt sowohl eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus 120.000,00 EUR als auch eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3100, 3101 VV aus 23.452,00 EUR.

Kürzt man zunächst die beiden Verfahrensgebühren, dann verringert sich das Gebührenaufkommen bereits hierdurch. Wird anschließend noch angerechnet, verringert sich das Gebührenaufkommen ein weiteres Mal. Abzurechnen wäre danach im gerichtlichen Verfahren wie folgt:

II. Gerichtliches Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV    
  (Wert: 120.000,00 EUR) 1.860,30 EUR  
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV    
  (Wert: 23.452,00 EUR) 548,80 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 1,3 aus 143.452,00 EUR   2.060,50 EUR
3. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 120.000,00 EUR   -1.073,25 EUR
Gesamt 987,25 EUR

Rechnet man dagegen die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr zunächst auf die 1,3-Verfahrensgebühr an, dann kommt es nicht mehr zur Kürzung, weil dann der Gesamtbetrag unter der Grenze des § 15 Abs. 3 RVG liegt. Abzurechnen ist dann mit dem OLG Stuttgart und dem OLG Karlsruhe wie folgt:

II. Gerichtliches Verfahren

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100 VV    
  (Wert: 120.000,00 EUR) 1.860,30 EUR  
2. gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen    
  0,75 aus 120.000,00 EUR -1.073,25 EUR 787,05 EUR
3. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV    
  (Wert: 23.452,00 EUR)   548,80 EUR
Gesamt 1.335,85 EUR
  (die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3 RVG, nicht mehr als 1,3 aus 143.452,00 EUR (2.060,50 EUR) ist nicht erreicht)    

Norbert Schneider

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