FamFG §§ 68, 113 Abs. 1 S. 2, 117; ZPO § 128 Abs. 1, Abs. 2; RVG VV Nr. 3202, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104
Leitsatz
Wird die Beschwerde gegen eine Folgesachenentscheidung in einem Scheidungsverbundverfahren vom OLG ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen, fällt für die beteiligten Anwälte keine fiktive Terminsgebühr an.
OLG Hamburg, Beschl. v. 27.8.2019 – 2 WF 83/19
1 Sachverhalt
Im zugrundeliegenden Scheidungsverfahren war u.a. die Folgesache Ehewohnung anhängig. Das FamG hat im Scheidungsbeschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und der Antragstellerin die vormalige Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen. Gegen diese Entscheidung in der Folgesache Wohnungszuweisung hat die Vermieterin der Wohnung Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde hat das OLG ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen. Hiernach beantragte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, die dieser im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet worden war, die Festsetzung ihrer Vergütung für das Beschwerdeverfahren, und zwar in Höhe einer 1,6-Verfahrensgebühr sowie einer 1,2-Terminsgebühr aus dem Wert der Ehewohnungssache. Die zuständige Urkundsbeamtin hat die Terminsgebühr abgesetzt. Eine fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV sei nicht angefallen, da die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichtet hätten. Das OLG habe ohnehin ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.
Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen. Die Abteilungsrichterin hat die Erinnerung zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen und die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin auferlegt.
2 Aus den Gründen
Die als sofortige Beschwerde der Antragstellerin auszulegenden "Erinnerung" ist gem. den § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 und 2, 569 ZPO, § 11 RPflG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Eine fiktive Terminsgebühr kommt vorliegend deswegen nicht in Betracht, weil der Senat die Beschwerde gem. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung verworfen hat.
Für die hier streitgegenständliche Beschwerde gegen die Folgesache Wohnungszuweisung sind grds. die Verfahrensvorschriften der §§ 68, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 128 Abs. 1 ZPO maßgeblich, wie die Antragstellerin zutreffend feststellt. Zwar bleiben die Scheidungssache und die einzelnen Folgesachen auch im Fall der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung im Verbund in verfahrensrechtlicher Hinsicht eigenständig (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 17. Aufl., § 137 Rn 3). Für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die als Folgesachen Teil einer Verbundentscheidung sein können (Versorgungsausgleichssachen, Ehewohnungs- und Haushaltssachen und die in § 137 Abs. 3 FamFG genannten Kindschaftssachen), gelten im Beschwerdeverfahren deshalb allein die allgemeinen Vorschriften der §§ 58 ff. FamFG – ggfs. in Verbindung mit den Spezialvorschriften für diese Verfahren in den entsprechenden Abschnitten im zweiten Buch des FamFG – ohne die ausschließlich für die Anfechtung des Scheidungsausspruchs und die Streitfolgesachen maßgeblichen Verweisungen des § 117 FamFG auf Vorschriften der ZPO (BGH NJW-RR 2014, 193, m.w.N.). Über § 68 Abs. 3 S. 1 gilt jedoch gem. §§ 113 Abs. 1 S. 2, 137 FamFG grds. auch § 128 ZPO für das gesamte Verbundverfahren.
Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass auch für die vorliegende Entscheidung im Beschwerdeverfahren durch Beschluss eine Terminsgebühr entstanden wäre.
Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV entsteht die Terminsgebühr zwar auch, wenn in einem Verfahren, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ohne mündliche Verhandlung entschieden worden ist. Voraussetzung hierfür ist aber bereits nach dem Gesetzeswortlaut, dass im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden [...] wird. Durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz wurde Nr. 3104 VV so geändert, dass jetzt klargestellt ist, dass die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr auf die Fälle beschränkt ist, in denen der Rechtsanwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann (vgl. BeckOK RVG/v. Seltmann, 44. Ed. 1.12.2018, VV 3104 Rn 2).
Eine solche Konstellation liegt im vorliegenden Verfahren nicht vor. Denn das Gericht hat nicht mit Zustimmung der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Dies wäre etwa bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. §§ 68, 113 Abs. 1 S. 2, 137 FamFG, § 128 Abs. 2 ZPO der Fall gewesen. Eine fiktive Terminsgebühr entsteht nach der Rspr. in Familienstreitsachen auch dann, wenn das Gericht nach einem entsprechenden Anerkenntnis des Antragsgegners ohne mündliche Verhandlung einen Anerkenntnisbeschluss erlassen hat. Denn – wie bereits oben festgestellt – gelten im Beschwerdeverfahren die §§ 68, 113 Abs. 2 FamFG, § 128 Abs. 1 ZPO, wonach auch hier...