Die Entscheidung ist falsch. Die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV und die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV hätten festgesetzt werden müssen.
1. Hinsichtlich der Nr. 4104 VV ist der Ausgangspunkt für die Gebührenfestsetzung vom LG richtig erkannt. Durch die Rücknahme des Strafbefehlsantrags wird das Verfahren – ebenso wie durch die Rücknahme der Anklage – in das Stadium des Ermittlungsverfahrens zurückversetzt mit der Folge, dass der Rechtsanwalt, der bislang im Ermittlungsverfahren für den Beschuldigten noch nicht tätig geworden ist, nun aber tätig wird, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV verdient. Ist der Rechtsanwalt bereits vor Anklageerhebung oder Antrag auf Erlass des Strafbefehls tätig gewesen, entsteht die Gebühr Nr. 4104 VV für ihn nicht noch einmal. Er hat sie bereits verdient. Und da es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, gilt § 15 Abs. 2 RVG.
Falsch sind dann aber die weiteren Ausführungen des LG, das davon ausgeht, dass im Zeitraum 8.1.2020 – Rücknahme des Strafbefehlsantrags – bis 17.1.2020 – Einstellung des Verfahrens – keine Tätigkeiten dargelegt oder ersichtlich seien, mit der die Verwirklichung des Tatbestands der Nr. 4104 VV begründet werden könnte. Insoweit übersieht das LG schon, dass allein die Entgegennahme der Mitteilung über die Rücknahme des Strafbefehlsantrags die Gebühr Nr. 4104 VV ausgelöst hat. Die Gebühr ist eine Verfahrensgebühr, die nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV jede Tätigkeit des Rechtsanwalts honoriert, also auch die Entgegennahme von Erklärungen der Staatsanwaltschaft (zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr allgemein Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn 37 ff. m.w.N. aus der Rspr.). Hinzu kommt das vom LG angeführte Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt und das Gespräch über die Einstellung mit dem Mandanten. Es ist unzutreffend, wenn das LG meint, diese seien durch die Gebühr Nr. 4141 VV abgegolten. Es ist zwar richtig, dass zumindest durch das Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt die Gebühr Nr. 4141 VV entstanden ist, weil es sich insoweit um "Mitwirkung" i.S.d. Nr. 4141 VV handelt. Im Zusammenspiel der Nr. 4104 VV und der Nr. 4141 VV ist jedoch für das Entstehen der der Nr. 4141 VV nicht eine zusätzliche, über den Abgeltungsbereich der Nr. 4104 VV hinausgehende Tätigkeit erforderlich/vorausgesetzt. Vielmehr führt die Tätigkeit, die ggf. zum Anfall der jeweiligen Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV, führt, auch zum Entstehen der Nr. 4141 VV. Die Tätigkeit wird aber nicht – auch – von der Nr. 4141 VV honoriert, sondern von der Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV. Die Nr. 4141 VV honoriert hingegen den Wegfall der dem Verteidiger im Fall einer Hauptverhandlung ggf. zustehenden Terminsgebühr als zusätzliche Verfahrensgebühr (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn 3 ff.). Das hat das LG hier verkannt. Etwas anderes folgt i.Ü. nicht aus den vom LG angeführten Literatur- und Rechtsprechungshinweisen. Denn weder die Literaturstellen noch die angeführte Entscheidung des LG Saarbrücken befasst sich mit der Problematik.
2. Die vorstehenden Ausführungen führen dazu, dass auch die zweite Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV hätte erstattet werden müssen. Die hätte i.Ü. auch das LG auf der Grundlage seines Rechtsstandpunktes festsetzen müssen. Denn der Verteidiger ist ja auch nach Auffassung des LG im Verfahrensabschnitt (nachträgliches) Ermittlungsverfahren tätig geworden, die Tätigkeiten werden nach unzutreffender Auffassung des LG nur nicht mit der Nr. 4104 VV honoriert.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 4/2021, S. 174 - 175