Die Gebührenbemessung anhand der Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nicht einfach. Das beweist der vorliegende Beschluss, zu dem Folgendes anzumerken ist.
1. Zutreffend ist der Ansatz der AG, dass der Rechtsanwalt die "richtige" Gebührenhöhe grds. selbst ermittelt und bestimmt. An seine Bestimmung ist ein Dritter, wozu auch die Staatskasse gehört, gebunden, wenn die Bestimmung nicht unbillig ist. Das wird in der Rspr. angenommen, wenn die angemessene Gebühr um mehr als 20 % überschritten. Das ist alles kein Hexenwerk, sondern Gebühren-Einmaleins, das das AG auch richtig zugrunde gelegt hat (zu den Vorgaben auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 1747 ff. m.w.N.).
Zu dieser Vorgehensweise ist anzumerken: Es mutet schon etwas eigenartig an, dass, wenn die Staatskasse zahlen muss, sie bzw. das Gericht dann bestimmt, ob die vom Rechtsanwalt ermittelte Gebührenhöhe angemessen ist und damit in dem Fall im Grunde genommen der Dritte dann selbst bestimmt, was er zahlen muss. Aber so ist nun mal leider das System.
2. Hinsichtlich der vom AG ermittelten Gebührenhöhe muss man m.E. dem AG aber widersprechen. Ich räume allerdings ein, dass die vom Verteidiger in Ansatz gebrachte Höchstgebühr sicherlich nicht gerechtfertigt war. Denn die mitgeteilten zusätzlichen Tätigkeiten rechtfertigen eine so hohe Gebühr nicht. Die Kriterien waren – so das AG – "leicht überdurchschnittlich".
Waren aber alle (!!) Kriterien, wie es das AG ausführt, leicht überdurchschnittlich, dann ist die Verfahrensgebühr m.E. einer Überschreitung der Mittelgebühr von nur 15 % zu knapp bemessen. M.E. hätte man die Mittelgebühr schon um 50 % überschreiten können, was zu einer Gebühr i.H.v. 272,25 EUR geführt hätte. Dabei spielt der Umstand, dass alle Kriterien (zumindest) leicht überdurchschnittlich waren, sicherlich die entscheidende Rolle.
Unzutreffend ist in dem Zusammenhang die Argumentation des AG betreffend das strafverfahrensrechtliche Beschwerdeverfahren. Es ist einfach falsch, wenn das Gericht aus der Tatsache, dass die Tätigkeiten in Beschwerdeverfahren über Vorbem. 4.1 VV mit den jeweiligen Verfahrensgebühren abgegolten werden/sind, (rück)schließen will, der Gesetzgeber habe den Beschwerdeverfahren keine "besondere eigenständige Bedeutung" zugemessen. Denn: Dass im Strafverfahren keine Beschwerdegebühr – wie im Zivilverfahren die Nr. 3500 VV – vorgesehen ist, beruht allein darauf, dass sich in der Expertenkommission, die dem Gesetzgebungsverfahren des RVG vorausgegangen ist, diejenigen, die für eine eigene Beschwerdegebühr plädiert haben, sich nicht haben durchsetzen können, und das BMJ gegenüber den Ländern, die gegen eine solche Gebühr argumentiert haben, eingeknickt ist. Natürlich wäre und ist es angemessen (gewesen), die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im strafrechtlichen Beschwerdeverfahren eigenständig zu honorieren. Man denke nur an umfangreiche und arbeitsintensive Haftbeschwerden oder eben auch Beschwerden in § 111a StPO-Verfahren, die viel Arbeit machen können. Aber leider sieht man das nicht als erforderlich an. Umso trauriger ist es, wenn dann auch noch die Arbeit des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren über § 14 RVG gering bewertet und honoriert wird.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 5/2023, S. 204 - 205