Die eigenen Fehler erkennt man am besten mit den Augen anderer!
Dazu Folgendes:
1. Die Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den ein Streit über die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Anm. Abs. 1 S. 1 1. Hs. zu Nr. 1000 VV).
2. Die Gebühr entsteht nicht in Ehesachen und in Lebenspartnerschaftssachen (Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV).
3. In Kindschaftssachen ist Abs. 1 S. 1 auch für die Mitwirkung an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, entsprechend anzuwenden (Anm. Abs. 5 S. 3 zu Nr. 1000 VV).
4. In Kindschaftssachen entsteht die Gebühr auch für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt (Anm. Abs. 2 zu Nr. 1003 VV).
Eindeutiger und verständlicher geht es kaum. Was aber muss der Gesetzgeber tun, damit Gerichte die durch das FGG-ReformG geänderten Vorschriften verstehen und anzuwenden lernen? Und: Welche weiteren Hilfestellungen muss er geben, damit Richter in die Lage versetzt sind, die Intention einer Gesetzesänderung abstrahieren zu können, auch wenn sie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift bereits eindeutig ergibt?
Zu 1: In dem vom OLG entschiedenen Verfahren bestand Streit über die Ausübung der elterlichen Sorge zwischen Kindesmutter und Jugendamt aufgrund einer behaupteten Kindeswohlgefährdung. Der Anwalt wirkte daran mit, dass die Kindesmutter sich mit dem Jugendamt darauf einigte, hinsichtlich der Gesundheitsfürsorge und in schulischen Angelegenheiten einschließlich der Unterbringung in eine Tagesgruppe eine Vollmacht zu erteilen.
Folge: Die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis ist damit beseitigt worden.
Zu 2: Die Ausnahmeregelung der Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV RVG ist nicht erfüllt.
Folge: Verfahren nach § 1666 BGB sind Kindschaftssachen nach § 151 Nr. 1 FamFG und Familiensachen nach § 111 Nr. 2 FamFG. Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV ist als argumentum e contrario zu entnehmen, dass in allen Familiensachen, die nicht dem § 111 Nr. 1 oder 11 FamFG zuzuordnen sind, eine Einigungsgebühr grundsätzlich entstehen kann.
Zu 3: Kindeswohlschutz aufgrund des sich aus Art. 6 GG ergebenden "staatlichen Wächteramtes" ist den Jugendämtern und Familiengerichten übertragen.
Folge: Es handelt sich um einen Vertragsgegenstand, über den nicht vertraglich verfügt werden kann. Deshalb ist Nr. 1000 VV "nur" entsprechend anzuwenden.
Zu 4: Eine gerichtliche Entscheidung war in dem vom OLG entschiedenen Verfahren entbehrlich.
Folge: Eine Einigungsgebühr ist entstanden.
Die herangezogenen Argumente des OLG, die aus seiner Sicht für die gegenteilige Auffassung streiten, bieten dem neuen Recht keine überzeugende Grundlage mehr.
Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass auch eine Einigung über nicht disponible Verfahrensgegenstände zukünftig möglich ist. Das Argument des OLG – Verfahren nach § 1666 BGB könnten jederzeit wieder aufgenommen oder ein neues Verfahren eingeleitet werden – geht deshalb ins Leere, weil dies auch bei einer Einigung im Verfahren nach § 1671 BGB aus den selbst in Bezug genommenen Gründen immer möglich bleibt. In diesen Verfahren kann aber auch nach Auffassung des OLG eine Einigungsgebühr ausgelöst werden.
Das OLG verdrängt neben den geltenden Vorschriften ein weiteres wesentliches Argument: Neben der Beseitigung eines Streits über ein Rechtsverhältnis soll die Einigungsgebühr die Entlastung der Gerichte honorieren (BGH FamRZ 2007, 1096). Es besteht deshalb auch bei denjenigen Verfahrensgegenständen, die der Dispositionsbefugnis der Beteiligten entzogen sind, kein Grund, im Falle einer wirksamen Einigung eine Einigungsgebühr zu versagen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn das Gericht dem Einigungsvorschlag der Beteiligten folgt (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe Nr. 1003, 1004 VV Rn 36.).
Hätte der Gesetzgeber ein abweichendes Ziel vor Augen gehabt, hätte er die Ausnahme in Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV geregelt.
"Nur wer das Ziel kennt, kann treffen!"
FAFamR Lotte Thiel, Koblenz