a) Verstirbt der Auftraggeber des Rechtsanwalts, ohne dass es zu einer weiteren Beauftragung durch Rechtsnachfolger kommt, so hat der Anwalt weiterhin nur einen Vertragspartner. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV ist nicht anwendbar, auch wenn der Rechtsanwalt nunmehr die Interessen mehrerer Erben wahrnimmt. Diese Fallgestaltung findet sich aber i.d.R. nur dort, wo die Erben unbekannt sind oder aus sonstigen Gründen keinen Kontakt zum Anwalt haben.
Sind hingegen mindestens zwei Erben mit einer Fortsetzung der Vertretung des Nachlasses durch den Anwalt einverstanden, so wird darin jedenfalls seine schlüssige Beauftragung zu sehen sein, nunmehr die Interessen der Erben zu vertreten. Dann hat er mehrere Auftraggeber. Es kommt nicht auf die Anzahl der Geschäftsbesorgungsverträge an, damit es zu einer Erhöhung der Geschäfts- oder der Verfahrensgebühr kommt, sondern ausschließlich darauf, für wie viele Auftraggeber/Erben der Rechtsanwalt sodann tätig wird. Die Erben müssen den Auftrag gegenüber dem Rechtsanwalt auch nicht erneuern. Es kommt auch nicht darauf an, ob für den Anwalt hierdurch Mehrarbeit anfällt.
b) Der Anwalt vertritt die Erben auch gemeinschaftlich und nicht etwa nur den Nachlass als Sondervermögen. Zwar liegt hier ebenso wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine gesamthänderische Bindung vor. Es fehlt jedoch an der zielgerichteten Bündelung von Einzelinteressen zum Wohle eines übergeordneten Ganzen. Die Erbengemeinschaft ist keine Vereinigung von Personen, die sich aus eigenem Antrieb zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) zusammengefunden haben. Typischerweise hat der Anwalt es nicht mit einem homogenen Gebilde und klaren Willensbildungskonzept zu tun, sondern er sieht sich den jeweiligen Einzelinteressen der Erben ausgesetzt.
Ausnahmsweise kann allerdings auch die anwaltliche Vertretung einer Erbengemeinschaft nicht als eine solche der einzelnen Erben, sondern als eine Vertretung der Gesamtheit (Einzelvertretung) anzusehen sein, wenn etwa das Unternehmen des Erblassers wie ein selbstständiges Rechtsgebilde in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt und vertreten wird. Dann finden die Grundsätze der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung, da sich die Entscheidung zur gemeinsamen Fortführung als besondere, den Einzelinteressen der Miterben übergeordnete Zweckrichtung des im Unternehmen gebundenen Gesamthandvermögens darstellt.
c) Die Erbengemeinschaft ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind also nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen.
Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhöhung der Gebühr liegen also grds. vor. Sie ist auch dann vorzunehmen, wenn die Regelgebühr schon vor dem Erbfall verdient war, da eine Gebühr mit jeder einschlägigen Tätigkeit erneut zur Entstehung gelangt.
d) Das LG Karlsruhe verwendet den Begriff der Erhöhungsgebühr. Das ist aber ungenau und irreführend, weil nach der Systematik des Gesetzes der Anwalt im Mehrpersonenverhältnis keine gesonderte Gebühr erhält, was mit § 7 Abs. 1 RVG unvereinbar wäre, sondern nur – ähnlich wie bei einer Tätigkeit in der Rechtsmittelinstanz – mit einem anderen Gebührensatz abrechnen kann.
Durch die Regelung der Erhöhung unter "Allgemeine Gebühren" in Teil 1 VV im Zusammenhang mit selbstständigen Gebühren wird allerdings der Anschein erweckt, auch bei der Erhöhung nach Nr. 1008 VV handele es sich um eine selbstständige Gebühr, die auf die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr aufgesattelt werde. Es entsteht aber nur eine Gebührenerhöhung. Die erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr stellt eine einheitliche Gebühr dar. Auch aus der Formulierung in Vorbem. 1 VV, wonach die Gebühren des Teils 1 VV neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren entstehen, kann nicht geschlossen werden, dass Nr. 1008 VV einen selbstständigen Gebührentatbestand regelt. Hiermit ist gemeint, dass die Gebührentatbestände des Teil 1 VV neben den anderen Gebühren der Teile 2–6 VV anfallen können. Die Erhöhung bezieht sich somit auf alle Verfahrens- und Geschäftsgebühren.
e) Zutreffend geht das LG Karlsruhe aber davon aus, dass bei der Berechnung der Erhöhung der Erblasser als erster Auftraggeber mit zu berücksichtigen ist. Der Erblasser und die drei den Streit fortführenden Erben sind also vier Auftraggeber, sodass sich für die Vertretung der drei Erben als weitere Auftraggeber die Verfahrensgebühr um 0,9 erhöht.
Joachim Volpert
AGS 6/2019, S. 265 - 266