Das nach § 56 Abs. 1 RVG als Erinnerung statthafte "Rechtsmittel" des Verteidigers hat in der Sache Erfolg, da die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Unrecht die Festsetzung der vom Verteidiger beantragten Gebühr Nr. 4106 VV (sogenannte "Verfahrensgebühr") für das zum Ausgangsverfahren (281) 34 Js 849/08 (8/08) hinzuverbundene Verfahren (281 Ds) 3093 Pls 8151/08 (184/08) abgelehnt hat.
1. Eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV für den ersten Rechtszug vor dem AG ist auch für das hinzuverbundene Verfahren (281 Ds) 3093 Pls 8151/08 (184/08) entstanden. Nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information".
a) Der Verteidiger, der sich vor der Verbindung beider Verfahren in dem Verfahren (281 Ds) 3093 Pls 8151/08 (184/08) bestellt hatte, hat in diese Akte Einsicht genommen und einen im Einzelnen begründeten Beiordnungsantrag, der zeigt, dass er sich mit dem Inhalt der Akte auseinandergesetzt hat, gestellt. Damit hat er vorliegend nicht nur die für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall anfallende Grundgebühr nach Nr. 4100 VV verdient, sondern – folgt man dem Wortlaut der Vorbem. 4 Abs. 2 VV – zugleich auch die Verfahrensgebühr. Dass ein Rechtsanwalt, der sich erstmals in einen (Straf-)Rechtsfall einarbeitet, zugleich das Geschäft eines Verteidigers betreibt, ist offenkundig und liegt auf der Hand. Entsprechend können nach der Systematik des RVG für einen Verteidiger keine Gebühren anfallen, ohne dass zugleich eine Verfahrens- und eine Geschäftsgebühr entsteht (so auch zutreffend N. Schneider, Anm. zu OLG Köln, Beschl. v. 17.1.2007–2 Ws 8/07, AGS 2007, 451, 452 und AnwKom-RVG Vorb. 4 VV Rn 22).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des OLG Köln v. 17.1.2007–2 Ws 8/07 – (abgedr. in AGS 2007, 451), auf die die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle sich vorliegend bei ihrer Entscheidung berufen hat.
aa) In Übereinstimmung mit einer starken in der Lit. vertretenen Ansicht (vgl. Burhoff RVG Straf- und Bußgeldsachen Nr. 4106 VV Rn 1 ff.; Gerold/Schmidt/Madert RVG Nr. 4100–4105 VV Rn 77 ff.; Hartmann KostG, VV Nrn. 4106, 4107 Rn 1 ff.) argumentiert das OLG Köln, der sachliche Geltungsbereich der Verfahrensgebühr müsse im systematischen Zusammenhang mit dem der Grundgebühr gesehen werden: Eine Verfahrensgebühr könne nur entstehen, wenn der Verteidiger eine Tätigkeit erbracht habe, die über den Geltungsbereich der Grundgebühr hinausgehe, denn die – allgemeine – Verfahrensgebühr falle nur an, wenn die fragliche Tätigkeit des Verteidigers nicht durch eine besondere Gebühr, zu denen auch die Grundgebühr zählen würde, honoriert würde. Ansonsten verbliebe für die Grundgebühr kein eigenständiger Anwendungsbereich. Diese Argumentation stützen das OLG Köln und die h.M. in der Lit. auf die Gesetzgebungsmaterialien, insbesondere auf die BT-Drucks 15/1971, S. 220 ff., in der der sachliche Geltungsbereich jeder Gebühr näher beschrieben wird.
bb) Gegen die vorstehend geschilderte Ansicht bestehen jedoch durchgreifende Bedenken.
(1) Denn grundsätzlich darf jede Art der Auslegung einer Gesetzesnorm nicht zu einem Ergebnis führen, das nicht mehr mit dem Wortlaut der auszulegenden Vorschrift in Einklang steht. Dazu führt aber gerade die vom OLG Köln entwickelte Abgrenzung zwischen Grundgebühr und Verfahrensgebühr. Wie man es auch drehen und wenden mag: Nach dem insofern maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch betreibt ein Rechtsanwalt, der sich erstmals in einen (Straf-)Rechtsfall einarbeitet, zugleich das Geschäft eines Verteidigers mit der Folge, dass für den vom OLG Köln aufgestellten "Spezialitätsgrundsatz", die – allgemeine – Verfahrensgebühr falle nur an, wenn die fragliche Tätigkeit des Verteidigers nicht durch eine besondere Gebühr, zu denen auch die Grundgebühr zählen würde, honoriert würde, nicht vom Gesetzestext gedeckt wird. Ein eindeutiger Wortsinn ist aber grundsätzlich bindend (BGHZ 46, 76).
(2) Von ihm darf allenfalls abgewichen werden, wenn der aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegt, sondern zwingend gebietet (vgl. BGHZ 2, 176, 184; BGH NJW 2003, 290). Ein derartiger Ausnahmefall kann hier vorliegend aber nicht angenommen werden: Für den vom OLG Köln entwickelten Spezialitätsgrundsatz finden sich aber in den Gesetzgebungsmaterialien keinerlei ausdrückliche Hinweise. Es heißt zwar insofern in der BT-Drucks 15/1971 (S. 220) wörtlich:
"Absatz 2 der Vorbemerkung 4 beschreibt den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr. Diese soll der Rechtsanwalt für das Betreiben des Geschäfts, im gerichtlichen Verfahren also z.B. für die Vorbereitung der Hauptverhandlung erhalten. Durch die Gebühr werden alle Tätigkeiten des Rechtsanwaltes abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind."
Mit keinem Wort findet sich aber in den Gesetzesmaterialien ein Hinweis darauf, dass die Grundgebühr eine "besondere Gebühr" i.S.d. vorstehenden Ausführungen darstellt und Grundge...