Der Entscheidung des LAG Halle (Saale) ist zuzustimmen. Das LAG Nürnberg (AGS 2019, 574) hat allerdings in einem Fall, in dem der beigeordnete Rechtsanwalt ebenfalls einen Terminsvertreter beauftragt hatte, jedoch nicht die hierfür gezahlte Vergütung, sondern fiktive Terminsreisekosten geltend gemacht hatte, die Festsetzung dieser Terminsreisekosten abgelehnt. Dies hatte das LAG Nürnberg damit begründet, dass fiktive, also ersparte Terminsreisekosten nur dann zu ersetzen sind, wenn durch die Beauftragung des Terminsvertreters gesetzliche Kosten anfallen würden, die über denen liegen, die der Hauptbevollmächtigte schon ohne die Reisekosten hätte in Ansatz bringen können. Diese Voraussetzung hat im Fall des LAG Nürnberg, a.a.O., nicht vorgelegen.
1. Anspruch auf Ersatz der Auslagen
Auch die Auslagen des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts gehören zu der gesetzlichen, von der Landeskasse zu zahlenden Vergütung, es sei denn, sie seien zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich gewesen (s. § 46 Abs. 1 RVG). Aus der negativen Fassung dieser Vorschrift folgt, dass Auslagen, die ein beigeordneter Rechtsanwalt aufgewandt hat, als zur sachgemäßen Wahrnehmung der Rechte der von ihm vertretenen Partei erforderlich anzusehen sind. Somit müssen gewichtige und auf Tatsachen gegründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Rechtsanwalt unnötige Auslagen verursacht hat. Die Darlegungslast hierfür obliegt aufgrund der negativen Fassung des Gesetzestatbestandes der Landeskasse. Nur wenn diese insoweit ihrer Darlegungspflicht nachgekommen ist, dass die Auslagen nicht zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren, kann von dem Rechtsanwalt seinerseits die Darlegung der Erforderlichkeit der umstrittenen Auslagen gefordert werden. Diese Gesetzessystematik kommt in den Gründen der Entscheidung des LAG Halle (Saale) zu kurz, was jedoch keine Auswirkungen auf die Richtigkeit der Entscheidung hat.
2. Ersatzfähige Auslagen
In der Praxis wird immer wieder übersehen, dass dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse nicht nur die in Teil 7 VV RVG ausdrücklich aufgeführten Auslagen zustehen. Vielmehr kann auch der PKH-Anwalt nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV aus der Staatskasse weitere Aufwendungen erhalten, wenn ein Wahlanwalt gegen seinen Auftraggeber einen Ersatzanspruch nach § 675 i.V.m. § 670 BGB hätte. Dies gilt nur nicht für solche Auslagen, die zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren (§ 46 Abs. 1 RVG).
Hierzu können etwa folgende Auslagenpositionen zählen:
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Fahrtkosten des Pflichtverteidigers für die Abholung und den Rücktransport der Gerichtsakten zum Zwecke der Akteneinsicht (LG Dessau-Roßlau RVGreport 2015, 420 [Hansens] = zfs 2015, 707 m. Anm. Hansens = AGS 2015, 597); |
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Dolmetscherkosten im sozialgerichtlichen Verfahren (vom LSG München RVGreport 2015, 177 [Ders.] deshalb abgelehnt, weil eine Verständigung mit dem ausländischen Mandanten über dessen Ehefrau möglich gewesen wäre); |
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Das OLG Hamm RVGreport 2013, 307 [Ders.] = AGS 2013, 348 = AnwBl. 2013, 771 hat einen Vorschussanspruch des PKH-Anwalts i.H.v. immerhin 10.000 EUR für die Einholung eines Privatgutachtens bejaht. |
3. Terminologie
Das LAG Halle (Saale) geht in den Beschlussgründen manchmal etwas sorglos mit den Sachbegriffen um. So spricht es im Leitsatz seiner Entscheidung von der Erstattungsfähigkeit. Im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG geht es jedoch lediglich um die Zahlung der Vergütung. Bei dem Anspruch auf Zahlung der Auslagen verwendet das Gesetz auch nicht den für die Kostenerstattung beispielsweise in § 91 Abs. 1 ZPO verwendeten Begriff der Notwendigkeit, sondern den Begriff der Erforderlichkeit. Die falsche Begriffswahl kann leicht dazu führen, dass man die Vergütungspflicht der Landeskasse gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt mit der Erstattungspflicht zwischen den Parteien verwechselt. Diesem Irrtum war offensichtlich auch das LAG Halle (Saale) einmal unterlegen, hat es doch die von ihm zitierte Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg AGS 2019, 436 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2019, 261 [Hansens] ausdrücklich abgelehnt. Diese Entscheidung betraf jedoch die Kostenfestsetzung. In dem Beschluss hat das LAG Berlin-Brandenburg zu Recht ausgeführt, der Partei entstünden keine erstattungsfähigen Kosten, wenn ihr Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen einen Terminsvertreter beauftrage, der für ihn die Terminsgebühr verdiene. Dies hat jedoch mit der Vergütungsanspruch des PKH-Anwalts gegen die Staatskasse nichts zu tun.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 7/2022, S. 299 - 302