§§ 670, 675 BGB; §§ 91 Abs. 1 S. 1, 104 ZPO; § 5 RVG; Nr. 3401, Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG
Leitsatz
- Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (hier: 0,65-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV) fallen für einen Terminsvertreter nur an, wenn dieser von der Prozesspartei selbst oder in deren Namen durch den Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) beauftragt worden ist, nicht hingegen, wenn letzterer im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt hat (Anschluss an BGH, Urt. v. 29.6.2000 – I ZR 122/98, NJW 2001, 753 unter Il. 2. b) [zu § 53 BRAGO] = AGS 2001, 51; Beschl. v. 13.7.2011 – IV ZB 8/11, VersR 2012, 737 Rn 8 = AGS 2011, 568).
- Bei einer Beauftragung des Terminsvertreters durch den Hauptbevollmächtigten im eigenen Namen sind die Kosten des Terminsvertreters auch nicht als Auslagen des Hauptbevollmächtigten i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB erstattungsfähig.
BGH, Beschl. v. 9.5.2023 – VIII ZB 53/21
I. Sachverhalt
Die Kläger hatten eine an ihrem Wohnort in S. ansässige Rechtsanwaltskanzlei als Hauptbevollmächtigte für einen Rechtsstreit vor dem LG Berlin beauftragt. In zwei Verhandlungsterminen trat für die Kläger jeweils eine unterbevollmächtigte Rechtsanwältin aus Berlin als Terminsvertreterin auf. Diese rechnete später gegenüber den Hauptbevollmächtigten mit einer an diesen adressierten Rechnung u.a. eine 0,65-Verfahrensgebühr nach Nr. 3401 VV ab. Diese Kosten meldeten die Kläger anschließend zur Festsetzung an und trugen ergänzend vor, im Falle einer Anreise ihrer Hauptbevollmächtigten wären Fahrtkosten von mehr als 600,00 EUR entstanden. Das LG hat die 0,65-Verfahrensgebühr der Unterbevollmächtigten abgesetzt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das KG zurückgewiesen. Die dagegen erhobene zugelassene Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
II. Keine Festsetzung der Gebühren nach Nr. 3401 VV
1. Verfahrensgebühr der Nr. 3401 VV grundsätzlich erstattungsfähig
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten, der – wie hier als Terminsvertreter – für den am Wohnort oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalt Termine bei dem an einem anderen Ort gelegenen Prozessgericht wahrnimmt, sich nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO richtet. Nach der ständigen Rspr. des BGH (vgl. BGH NJW 2003, 898 = AGS 2003, 97; VersR 2006, 1089; NJW-RR 2012, 381; NJW-RR 2004, 1724; NJW 2012, 2888 = AGS 2012, 452) stellen die Kosten eines Unterbevollmächtigten dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne dieser Vorschrift dar, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären. Ersatz der Kosten für den mit der Terminswahrnehmung beauftragten Unterbevollmächtigten können dabei insoweit beansprucht werden, als diese Kosten die ersparten Reisekosten nicht wesentlich übersteigen. Eine wesentliche Überschreitung wird im Regelfall anzunehmen sein, wenn die Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten um mehr als 1/10 überschreiten (BGH NJW-RR 2015, 761 = AGS 2015, 241; NJW-RR 2023, 205).
2. Verfahrensgebühr der Nr. 3401 VV erfordert Auftrag durch die Partei
Ebenfalls frei von Rechtsfehlern und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen ist das OLG davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen nach Maßgabe des RVG für einen Terminsvertreter nur anfallen, wenn dieser von der Partei selbst oder im Namen der Partei durch den Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) beauftragt worden ist, nicht aber, wenn der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen den Auftrag zur Terminsvertretung erteilt hat (BGH NJW 2001, 753 = AGS 2001, 51; VersR 2012, 737 = AGS 2011, 568; OLG Nürnberg NJW-RR 2002, 1288.; OLG Stuttgart NJOZ 2018, 959, 960; MüKo-ZPO/Schulz, 6. Aufl., 2020, § 91 Rn 82). Der Terminsvertreter muss demnach aufgrund eines Vertrags mit dem Mandanten tätig geworden sein (Mayer/Teubel, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2020, RVG VV Nr. 3401 Rn 3). Hat der Hauptbevollmächtigte dagegen einem Terminsvertreter im eigenen Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung erteilt, so ist dieser im Regelfall Erfüllungsgehilfe des Hauptbevollmächtigten. Zwischen der Partei und dem Terminsvertreter wird in diesem Fall kein Vertragsverhältnis begründet. Die Entschädigungspflicht richtet sich vielmehr nach der internen Vereinbarung zwischen dem Terminsvertreter und dem Hauptbevollmächtigten, der für die Ansprüche des Terminsvertreters in diesem Fall auch einzustehen hat (BGH NJW 2001, 753 = AGS 2001, 51).
3. Glaubhaftmachung des Auftrags durch die Partei erforderlich
Beantragt eine Partei die Festsetzung der Kosten eines Terminsvertreters, so hat sie demnach glaubhaft zu machen (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO), dass der Terminsvertreter von ihr bzw. in ihrem Namen seitens des Hauptbevollmächtigten beauftragt worden ist.
Das OLG ist ohne Rechtsfehler davon ausgegan...