§§ 114, 115 ZPO; § 90 SGB XII; § 15 Abs. 2 AGG
Leitsatz
- Zum Vermögen i.S.d. § 115 Abs. 4 ZPO gehören auch Entschädigungszahlungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden.
- Der Einsatz von Entschädigungen, die auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG geleistet werden, stellt auch nicht grundsätzlich eine Härte i.S.d. § 90 Abs. 3 SGB XII dar.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.12.2022 – 3 Sa 898/22
I. Sachverhalt
Der Kläger hat gegen ein Urteil des ArbG Berlin, durch das seine Klage abgewiesen worden ist, Berufung eingelegt. Für dieses Berufungsverfahren beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Gegenstand dieses Rechtsstreits war eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 2 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) i.H.v. 6.000,00 EUR, die der Kläger nach. Ablehnung seiner im August 2021 erfolgten Bewerbung von dem Beklagten verlangte. Das LAG Berlin-Brandenburg hat dem Kläger im PKH-Verfahren gem. § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO unter Fristsetzung aufgegeben, alle Entschädigungen, die der Kläger seit August 2021 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt – das war Oktober/ November 2022 – erhalten hat, anzugeben und zu dem Verbleib dieser Vermögenswerte im Einzelnen vorzutragen. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger mitgeteilt, er habe Entschädigungen i.H.v. insgesamt X EUR erhalten. Zum Verbleib dieses Vermögens hat der Kläger hingegen keine Einzelheiten vorgetragen. Er beschränkte sich vielmehr auf den Vortrag, die Entschädigungszahlungen seien aufgebraucht worden. Er habe Rückstände bei seinen Darlehensgebern und Anwaltskostenvorschüsse zahlen müssen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen ergab sich lediglich ein Zufluss von Entschädigungszahlungen i.H.v. Y EUR.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH zurückgewiesen.
II. Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
1. Gesetzliche Grundlagen
Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gem. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei gelten die Regelungen der ZPO über die PKH in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen gem. § 11a Abs. 1 ArbGG entsprechend. Gem. § 115 Abs. 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen und gem. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Dabei ordnet § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO die entsprechende Anwendung des § 90 SGB XII an. Gem. § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO kann das mit dem PKH-Antrag befasste Gericht Erhebungen anstellen und dem Antragsteller unter Setzung einer Frist aufgeben, seine tatsächlichen Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft zu machen. Kommt der Antragsteller dem nicht nach und beantwortet er auch nicht bestimmte Fragen oder einzelne Fragen nur ungenügend, so lehnt das Gericht gem. § 118 Abs. 2 S. 4 ZPO die Bewilligung von PKH ab.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat hier diese Grundsätze angewandt und den Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren zurückgewiesen.
2. Fehlende Bedürftigkeit
Da der Kläger innerhalb der ihm vom LAG Berlin-Brandenburg gesetzten Frist die Frage zu dem Verbleib der ihm gem. § 15 Abs. 2 AGG ausgezahlten Entschädigungen nicht genügend beantwortet hatte, konnte das LAG nicht abschließend prüfen, ob der Kläger die Prozesskosten für das Berufungsverfahren nicht aus seinem Vermögen bestreiten konnte bzw. ob er sich so behandeln lassen musste, als ob er noch über ausreichendes Vermögen verfügte, um die Prozesskosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG als Vermögen
Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg gehören zu dem nach § 115 Abs. 3 ZPO einzusetzenden Vermögen auch Entschädigungszahlungen, die der um PKH Nachsuchende auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG erhalten hat. Das LAG hat darauf hingewiesen, dass § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO lediglich auf § 90 SGB XII verweist. Deshalb sei es unerheblich, ob eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG gem. § 11a Abs. 2 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.
4. Einsatz von Entschädigungen keine Härte
Nach den weiteren Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg ist der Einsatz von Entschädigungen, die der um PKH Nachsuchende auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 AGG erhalten hat, grds. keine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII. Aus dieser Bestimmung ergebe sich nicht, weshalb die Verwertung bzw. der Einsatz einer solchen Entschädigungszahlung allgemein eine Härte für den Antragsteller darstellen solle. Das LAG hat darauf hingewiesen, dass Entschädigungszahlungen pfändbare Ansprüche seien. Bereits hierdurch ergebe sich, dass diese Zahlungen nicht generell bei dem Antragsteller verbleiben müssten. Ferner hat das LAG auf die Doppelfunktion einer Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG verwiesen. Eine solche Zahlung diene einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der P...