[Ohne Titel]
Von der in der ZPO vorgesehenen Möglichkeit des Urkundsverfahrens (§ 592 ff. ZPO) wird in der Praxis wenig Gebrauch gemacht, obwohl dieses Verfahren häufiger in Betracht kommt als man denkt. Auch gebührenrechtlich ist das Urkundsverfahren durchaus interessant. Daher sollen im Folgenden einmal die Grundfälle dargestellt werden.
I. Überblick
Nach § 17 Nr. 5 RVG gilt das ordentliche Verfahren, das nach Abstandnahme vom Urkundenprozess anhängig bleibt, bzw. das Nachverfahren nach Erlass eines Vorbehaltsurteils als neue selbstständige Gebührenangelegenheit. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Gebühren sowohl im Urkundenprozess einerseits als auch im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme oder nach Erlass eines Vorbehaltsurteils andererseits gesondert anfallen können.
Die Vergütung im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess richtet sich nach Teil 3 VV.
Der Anwalt erhält zunächst einmal eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV. Allerdings ist in Vorbem. 3 Abs. 7 VV angeordnet, dass die Verfahrensgebühr, die im Urkundenprozess entstanden ist, auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens oder des ordentlichen Verfahrens nach Abstandnahme angerechnet wird.
Neben der Verfahrensgebühr entsteht unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV die 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, ggf. nach Nr. 3105 VV nur i.H.v. 0,5. Infolge des erweiterten Anwendungsbereichs der Terminsgebühr gegenüber der früheren Verhandlungsgebühr reicht auch schon die bloße Erklärung des Klägervertreters im Termin, er nehme vom Urkundenprozess Abstand, um dort die Terminsgebühr auszulösen.
Für die Terminsgebühr Nr. 3104 VV ist keine Anrechnung vorgesehen. Diese kann also sowohl im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess als auch im Nachverfahren oder im ordentlichen Verfahren nach Abstandnahme gesondert entstehen.
Möglich ist darüber hinaus auch eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 ff. VV.
Daneben erhält der Anwalt Ersatz seiner Auslagen nach Teil 7 VV. Insbesondere erhält der Anwalt jeweils eine gesonderte Postentgeltpauschale für den Urkundenprozess einerseits und das Nachverfahren andererseits. Soweit Kopien gefertigt werden, ist je Angelegenheit gesondert zu zählen.
II. Nur Urkundsverfahren
Soweit der Anwalt nur im Urkundsverfahren tätig wird, ergeben sich keine Besonderheiten. Abzurechnen ist wie in einem gewöhnlichen gerichtlichen Verfahren.
Beispiel 1
Der Anwalt klagt im Urkundsverfahren eine Forderung i.H.v. 10.000,00 EUR ein. Hierüber wird verhandelt. Das Gericht entscheidet durch Schlussurteil.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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798,20 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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736,80 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
295,45 EUR |
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Gesamt |
1.850,45 EUR |
III. Urkunds- und Nachverfahren
Kommt es nach dem Urkundsverfahren zum Nachverfahren, ist die Verfahrensgebühr des Urkundsverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 7 VV). Die Terminsgebühr entsteht anrechnungsfrei erneut.
Beispiel 2
Im Urkundsverfahren ist ein Vorbehaltsurteil über 10.000,00 EUR ergangen. Der Kläger beantragt hiernach, das Urteil für vorbehaltlos zu erklären. Darüber wird erneut verhandelt und entschieden.
I. |
Urkundsverfahren |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
798,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
736,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
295,45 EUR |
|
Gesamt |
1.850,45 EUR |
II. |
Nachverfahren |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
798,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV anzurechnen |
– 798,20 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
736,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
756,80 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
143,79 EUR |
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Gesamt |
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900,59 EUR |
Wird die Klage im Nachverfahren erweitert, ist die Verfahrensgebühr des Urkundsverfahrens nur nach dem Wert des Urkundsverfahrens anzurechnen.
Beispiel 3
Abwandlung zu Beispiel 2: Im Nachverfahren wird die Klage um 5.000,00 EUR erweitert.
I. |
Urkundsverfahren |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
798,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
736,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
295,45 EUR |
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Gesamt |
1.850,45 EUR |
II. |
Nachverfahren |
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1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
933,40 EUR |
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(Wert: 15.000,00 EUR) |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 7 VV anzurechnen, |
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– 798,20 EUR |
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1,3 aus 10.000,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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861,60 E... |