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Tätigkeiten in Zusammenhang mit Verfassungsbeschwerdeverfahren stehen bei den anwaltlichen Tätigkeiten i.d.R. nicht an erster Stelle. Sie nehmen aber an Bedeutung zu. Die nachfolgenden Ausführungen sollen daher noch einmal die Abrechnung von Verfassungsbeschwerdeverfahren vorstellen.
I. Allgemeines
Die Gebühren des Rechtsanwalts in Verfahren vor Verfassungsgerichten werden in § 37 RVG geregelt. Erfasst werden von der Vorschrift alle Arten von Verfahren und jede Art von anwaltlicher Tätigkeit im Verfahren vor dem BVerfG und den Verfassungsgerichten der Länder. Die Regelung erfasst aber nicht die Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Diese sind durch das 2. KostRMoG in § 38a RVG gesondert geregelt.
II. Persönlicher Geltungsbereich
§ 37 RVG gilt für den Wahlanwalt. Sie gilt auch für den im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalt. In Verfahren vor dem BVerfG kann nämlich – vor allem für Verfahren über Verfassungsbeschwerden – PKH bewilligt werden. Beigeordnet werden kann jeder vor einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt, auch im schriftlichen Verfahren. Insoweit gelten dann die Vorschriften der §§ 45 ff. RVG entsprechend. Wird PKH beantragt, muss der Antrag eine Sachverhaltsschilderung und die verfassungsrechtlichen Beanstandungen im Kern enthalten.
Beim Pflichtverteidiger, der für das Strafverfahren bestellt war, sind die Tätigkeiten, die z.B. im Hinblick auf eine Verfassungsbeschwerde erbracht werden, nicht von der "normalen" Pflichtverteidigerbestellung umfasst. Er erhält die Gebühren nach § 37 RVG, die neben den Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV entstehen, also nur, wenn er im Wege der PKH für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ausdrücklich beigeordnet worden ist.
III. Sachlicher Geltungsbereich
Hinsichtlich der entstehenden Gebühren des Rechtsanwalts ist zu unterscheiden zwischen Verfahren, die in einem dem strafprozessähnlichen Verfahren behandelt werden (§ 37 Abs. 1 RVG), und den sonstigen Verfahren (§ 37 Abs. 2 RVG). In den Ersteren erhält der Rechtsanwalt Gebühren wie ein Verteidiger, in den sonstigen Verfahren erhält er Gebühren wie im Verwaltungsrechtsstreit.
1. Strafprozessähnliche Verfahren (§ 37 Abs. 1 RVG)
a) Begriff der strafprozessähnlichen Verfahren
Das RVG definiert den Begriff des "strafprozessähnlichen Verfahrens" nicht. § 37 Abs. 1 RVG enthält aber eine Aufzählung der strafprozessähnlichen Verfahren. Dabei handelt es sich um Verfahren, für welche allgemein oder für einzelne Abschnitte, wie z.B. nach § 28 Abs. 1 BVerfGG für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die Vorschriften der StPO anzuwenden sind. Danach handelt es sich um dem Strafverfahren insoweit ähnliche Verfahren, als von dem Gericht über die angeklagte Person oder Personengruppe wegen verfassungswidrigen Verhaltens Rechtsnachteile verhängt werden sollen.
Im Einzelnen werden folgende Verfahren genannt:
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Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen (§ 13 Nr. 1 BVerfGG), |
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Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (§ 13 Nr. 2 BVerfGG), |
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Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter (§ 13 Nr. 4 und 9 BVerfGG) und |
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Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden. |
Aus § 37 Abs. 1 Nr. 4 RVG folgt, dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Davon ist bewusst abgesehen worden, um eine Möglichkeit zu haben, die Gebühren in ähnlichen Verfahren vor den Verfassungsgerichten, wenn solche, z.B. durch Landesrecht, neu geschaffen werden, ohne Änderung des RVG in gleicher Weise zu behandeln. Als ähnliches Verfahren kommt z.B. das Verfahren auf Erzwingung der Strafverfolgung wegen eines Verfassungsbruchs oder eines auf Verfassungsbruch gerichteten Unternehmens in Betracht (vgl. § 38 HessG über den Staatsgerichtshof) oder das Verfahren gegen ein Mitglied des Rechnungshofes (§ 14 Nr. 8 Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht) in Betracht.