1. Grundsätze

Der BGH hat zunächst auf seine ständige Rspr. verwiesen, wonach die Kosten eines Terminsvertreters – vom VIII. ZS des BGH als "Unterbevollmächtigter" bezeichnet – dann notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind, wenn durch die Tätigkeit des Terminsvertreters erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart worden sind, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (BGH AGS 2014, 202 = zfs 2014, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2014, 234 [Hansens]; BGH AGS 2012, 452 = zfs 2012, 645 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 423 [Ders.]; BGH AGS 2003, 97 = BRAGOreport 2003, 13 [Ders.]).

Dieser Grundsatz erfährt insofern nach Auffassung des BGH gem. § 91 Abs. 1 ZPO eine Einschränkung, als Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten sind, als dessen Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Diese Voraussetzungen lagen hier vor, wovon auch das OLG München ausgegangen war. Insoweit hat der VIII. ZS des BGH auf seine Beschl. v. 14.9.2021 (AGS 2021, 506 [Hansens] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens) und v. 5.7.2022 (AGS 2022, 559 [Ders.] = zfs 2022, 700 m. Anm. Hansens) verwiesen, denen vergleichbare Fallgestaltungen (wohl) bei derselben Klägerin vorgelegen haben.

2. Notwendigkeit der Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten

War – wie hier – die Hinzuziehung der Kölner Hauptbevollmächtigten der Klägerin i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO notwendig, können nach Auffassung des BGH entgegen der Ansicht des OLG München die zu erstattenden Kosten bei der Vertretung der Klägerin vor dem Gericht an ihrem Gesellschaftssitz nicht auf die fiktiven Kosten eines Anwalts begrenzt werden, dessen Kanzleisitz sich an dem vom Gericht am weitesten entfernten Ort innerhalb des Gerichtsbezirks befindet. Dies hat der BGH damit begründet, die vorgenannte Vorschrift verlange im Falle der notwendigen Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten regelmäßig keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich gewesen war oder ob sie auch durch einen im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalt hätte erfolgen können. Insoweit hat sich der VIII. ZS des BGH wiederum auf die vorgenannten Senatsbeschl. v. 14.9.2021 und v. 5.7.2022, a.a.O., bezogen. Ferner hat der BGH auf seine st. Rspr. verwiesen, wonach bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist (BGH RVGreport 2010, 156 [Hansens] = JurBüro 2010, 369; BGH RVGreport 2012, 112 [Ders.] = NJW-RR 2012, 695; BGH AnwBl. 2018, 620; BGH AGS 2021, 506 [Hansens] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens). Dabei stehe der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen wäre, in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden könne, ob die Kosten zu erstatten seien oder nicht.

Dies hat hier nach den weiteren Ausführungen des BGH zur Folge, dass es zur Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Terminsreisekosten grds. nicht zusätzlich der gesonderten Feststellung bedürfe, ob die mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts am dritten Ort verbundenen Mehrkosten in voller Höhe erstattungsfähig sind, wenn das Gericht die Notwendigkeit der Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung – wie es hier der Fall sei – bejaht habe.

3. Höhe der erstattungsfähigen Kosten

Die verfahrensgegenständlichen Kosten für die Hinzuziehung des Terminsvertreters mit Kanzlei in Fürstenfeldbruck sind insoweit erstattungsfähig, als diese Kosten die sonst notwendigen, hier aber ersparten Terminsreisekosten der Kölner Hauptbevollmächtigten nicht um mehr als 10 % überschreiten (BGH AGS 2015, 241 = AnwBl. 2015, 529 = zfs 2015, 404 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 267 [Hansens]; BGH AGS 2003, 97 = AnwBl. 2003, 309 = BRAGOreport 2003, 13 [Ders.]). Da das OLG München keine Feststellungen zur Höhe der den Kölner Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Falle der Wahrnehmung des Verhandlungstermins beim LG München I zustehenden Reisekosten getroffen hat, hat der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG München zurückverwiesen. Dieses habe die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der über den zuerkannten Betrag von 44,80 EUR hinaus zu erstattenden Terminsreisekosten der Hauptbevollmächtigten zu treffen.

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