Leitsatz
1. Mit der Abtrennung einer Folgesache aus dem Scheidungsverbund wird diese zur selbstständigen Familiensache i.S.d. Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG mit der Folge, dass erneut Rechtsanwaltsgebühren entstehen.
2. Allerdings muss sich der Rechtsanwalt auf diese neu entstehenden Gebühren solche Gebühren anrechnen lassen, die er bereits im Scheidungsverbund aus dem Wert der Folgesache verdient und abgerechnet hat.
OLG Hamm, Beschl. v. 14.2.2013 – 6 WF 9/13
1 Sachverhalt
In dem vorangegangenen Ehescheidungsverfahren hatte die Beteiligte zu 1) die Antragstellerin vertreten. Dieser war Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Durch Urt. v. 1.9.2008 hatte das AG die Ehe nach vorheriger Abtrennung des Versorgungsausgleichs geschieden. Der Streitwert für die Ehescheidung ist auf 9.600,00 EUR und der Wert für die Folgesache Versorgungsausgleich auf 2.000,00 EUR festgesetzt worden.
De Beteiligte zu 1) hatte zunächst beantragt, die ihr zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 743,57 EUR festzusetzen. Bei diesem Antrag hat sie einen Streitwert von 9.600,00 EUR (ohne Versorgungsausgleich) zugrunde gelegt. Das AG hat daraufhin antragsgemäß die Vergütung auf 743,75 EUR festgesetzt.
Mit späterem Antrag hat die Beteiligte zu 1) die Festsetzung von weiteren 11,90 EUR beantragt, und zwar ausgehend von einem Streitwert von 11.600,00 EUR (9.600,00 EUR Ehescheidung zuzüglich 2.000,00 EUR Versorgungsausgleich). Auch dieser Betrag von 11,90 EUR wurde antragsgemäß festgesetzt.
In dem vorliegenden, abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren hat das AG der Antragstellerin durch Beschl. v. 10.10.2011 Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Durch weiteren Beschl. v. 10.10.2011 ist der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Der Verfahrenswert ist auf 3.840,00 EUR festgesetzt worden.
Aufgrund eines weiteren Antrages sind zugunsten der Beteiligten zu 1) zunächst 32,73 EUR festgesetzt worden.
Später hat die Beteiligte zu 1) beantragt, ihre Vergütung auf weitere 597,97 EUR festzusetzen.
Diese Vergütung setzte sich wie folgt zusammen:
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Gegenstandswert |
Vergütung |
1,3-Verfahrensgebühr gem. § 49 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV |
3.840,00 EUR |
265,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr gem. § 49 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV |
3.840,00 EUR |
244,80 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Nettobetrag |
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530,00 EUR |
Umsatzsteuer |
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100,70 EUR |
Summe |
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630,70 EUR |
abzüglich bereits gezahlter |
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-32,73 EUR |
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597,95 EUR |
Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das FamG zurückgewiesen. Das AG hat die Auffassung vertreten, dass die Gebühren aus dem Scheidungsverfahren in vollem Umfang anzurechnen seien.
Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde. Sie korrigiert ihren Antrag dahingehend, dass ein Betrag von 11,90 EUR noch in Abzug zu bringen sei. Es sei deshalb ein Betrag von 586,07 EUR festzusetzen.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) ist eine Vergütung von weiteren 586,07 EUR festzusetzen.
1. Das AG weist zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Versorgungsausgleich um eine selbstständige Familiensache i.S.d. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG handelt (vgl. BGH FamRZ 2011, 636 [= AGS 2011, 167]). Dies hat zur Folge, dass erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt werden muss und auch gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG erneut Rechtsanwaltsgebühren entstehen (BGH FamRZ 2011, 636 [= AGS 2011, 167]; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2012 – 6 WF 55/12 [= AG kompakt 2012, 75]). Allerdings muss sich der Rechtsanwalt nach § RVG § 15 Abs. 2 S. 1 RVG solche Gebühren anrechnen lassen, die er bereits im Scheidungsverbund aus dem Wert des Versorgungsausgleichs verdient und abgerechnet hat. Denn nach § RVG § 21 Abs. 3 RVG handelt es sich bei der abgetrennten und der nunmehr selbstständigen Folgesache um eine Angelegenheit (BGH FamRZ 2011, 636 [= AGS 2011, 167]; OLG Celle FamRZ 2011, 240 [= AGS 2010, 533]).
Dabei ist zu beachten, dass nur solche Gebühren angerechnet werden, die im früheren Scheidungsverbund auf den Versorgungsausgleich entfallen waren (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.5.2012 – 6 WF 55/12). Dies hat das AG im vorliegenden Verfahren übersehen, da es die gesamten Gebühren aus dem Scheidungsverbund in Abzug gebracht hat.
2. Welche Gebühren anzurechnen sind, ist im Wege einer Vergleichsberechnung zu ermitteln. Es ist zu berechnen, welche Gebühren im Scheidungsverfahren ohne den Versorgungsausgleich angefallen wären. Diese Vergleichsrechnung ist der bereits erfolgten Abrechnung gegenüberzustellen. Die so ermittelte Differenz ist von den Gebühren des wiederaufgenommenen Versorgungsausgleichsverfahrens in Abzug zu bringen.
I. Gebühren für das Ehescheidungsverfahren ohne Versorgungsausgleich
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Gegenstandswert |
Vergütung |
1,3 Verfahrensgebühr gem. § 49 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV |
9.600,00 EUR |
314,60 EUR |
1,2 Terminsgebühr gem. § 49 RVG i.V.m. Nr. 3104 VV |
9.600,00 EUR |
290,40 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Nettobetrag |
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625,00 EUR |
Umsatzsteuer |
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118,75 EUR |
Summe der Gebühren |
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743,75 EUR |
II. Bereits im Scheidungsverfahren abger...