1. Gesetzliche Grundlage
Nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1000 VV in der hier anwendbaren bis zum 30.9.2021 geltenden Fassung des RVG entsteht die 1,5-Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Nach den Anm. in Abs. 5 S. 3 zu Nr. 1000 VV und Abs. 2 zu Nr. 1003 VV entsteht die Einigungsgebühr in Kindschaftssachen auch für die Mitwirkung am Abschluss eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 Abs. 2 FamFG) und an einer Vereinbarung, über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann, wenn hierdurch eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wird oder wenn die Entscheidung der getroffenen Vereinbarung folgt.
2. Einigungsgebühr in Kinderschutzverfahren
Ob nach Maßgabe der vorstehenden Regelung eine Einigungsgebühr auch in Kinderschutzverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB anfallen kann, ist seit jeher umstritten.
a) Die bisher herrschende Meinung
Die bisher h.M. verneint dies mit der Begründung, Kinderschutzverfahren würden von Amts wegen ausschließlich im Kindesinteresse geführt. Deshalb gelte der Amtsermittlungsgrundsatz. Den Eltern, aber auch dem beteiligten Jugendamt würde deshalb die für eine Einigung i.S.v. Nr. 1000 VV notwendige Dispositionsbefugnis fehlen. Auf Vergleiche oder Vereinbarungen zwischen den Beteiligten komme es deshalb nicht an, weil sich das FamG ausschließlich an dem Kindeswohl zu orientieren habe (so OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.11.2020 – 9 WF 253/20; OLG Koblenz FamRZ 2021, 450; OLG Hamm MDR 2014, 37; OLG Stuttgart AGS 2011, 276 = RVGreport 2011, 225 [Hansens]; OLG Düsseldorf AGS 2018, 10). Ferner argumentiert diese Auffassung damit, mit den in der in Abs. 5 der Anm. zu Nr. 1000 und Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV genannten Einigungen in Sorgerechtsverfahren seien nur die Verfahren nach § 1671 BGB gemeint (so OLG Brandenburg, a.a.O.).
b) Einigungsgebühr auch in Kinderschutzverfahren
Eine im Vordringen befindliche Auffassung geht davon aus, dass auch in Kinderschutzverfahren eine Einigungsgebühr anfallen kann (OLG Frankfurt JurBüro 2021, 408; OLG Karlsruhe AGS 2019, 453; OLG Hamburg FamRZ 2022, 47).
3. Die Auffassung des OLG Köln
Das OLG Köln hat sich der letztgenannten Minderauffassung angeschlossen. Das OLG hat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Gesetzgeber speziell für Kinderschutzverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB den Anfall einer Einigungsgebühr hat ausschließen wollen. Für seine Auffassung hat das OLG Köln folgende Gründe angeführt.
a) Wortlaut und Gesetzessystematik
Dem Wortlaut und der Systematik von Abs. 5 der Anm. zu Nr. 1000 VV und Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV hat das OLG entnommen, dass es im Bereich der Kinderschutzverfahren nicht darauf ankomme, ob eine Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand bestanden hat. Die in Nr. 1000 VV geforderte Mitwirkung an einem Vertragsschluss werde dort nämlich gerade nicht gefordert. In Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV heiße es vielmehr ausdrücklich, dass in Kindschaftssachen die Gebühr bei Mitwirkung an einer Vereinbarung entsteht, "über deren Gegenstand nicht vertraglich verfügt werden kann". Da die elterliche Sorge nicht disponibel sei, fehle den Eltern in allen Sorgerechtsverfahren die Verfügungsbefugnis. Gleichwohl differenziere der Gesetzgeber nicht zwischen den verschiedenen Sorgerechtsverfahren. Hätte der Gesetzgeber bestimmte Fallkonstellationen aus dem Bereich des Kindschaftsrechts von der Gebührenregelung ausnehmen wollen, so hätte er ausdrücklich bestimmt, welche Vereinbarungen gebührenrechtlich anders behandelt werden sollten. Dies gelte umso mehr, als der Gesetzgeber in Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1003 VV differenziere zwischen gerichtlich gebilligten Vergleichen in Umgangs- und Kindesherausgabeverfahren (§ 156 Abs. 2 FamFG) einerseits und in sonstigen Vereinbarungen in Kindschaftssachen andererseits.
b) Wille des Gesetzgebers
Aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 16/6308, 341) hat das OLG Köln gefolgert, dass auch in Kinderschutzverfahren eine Einigungsgebühr anfallen kann. Auch dort werde auf den Anfall der Einigungsgebühr bei einem gerichtlich gebilligten Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG hinsichtlich des Umgangsrechts verwiesen. Hinsichtlich der Vereinbarungen i.Ü. habe der Gesetzgeber den Anfall der Einigungsgebühr nur davon abhängig gemacht, dass der Vorschlag durch die gerichtliche Entscheidung umgesetzt werde.
c) Sinn und Zweck der Regelung
Die Zubilligung einer Einigungsgebühr auch in Kinderschutzverfahren dient nach den weiteren Ausführungen des OLG Köln auch dem Sinn und Zweck der Norm, die streitvermeidende oder streitbeendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken.
Nach Auffassung des OLG Köln können auch in Kinderschutzverfahren Vereinbarungen weiteren Streit vermeiden und damit zur Entlastung der FamG beitragen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die getroffene Vereinbarung Absprachen zur Gefahrenabwehr zum Gegenstand habe, durch die gerichtliche Maßnah...