Die Entscheidung des BAG klärt höchstrichterlich eine für die anwaltliche Praxis sehr bedeutsame Frage.
1. Verfahrensrechtliche Ausgangssituation
Nach höchstrichterlicher Rspr. (BAG RVGreport 2007, 354 [Hansens]; BGH RVGreport 2011, 117 [Ders.] = zfs 2011, 223 m. Anm. Hansens; BGH AnwBl 2017, 206; BGH RVGreport 2012, 38 [Ders.]) sind Zustellungen im PKH-Überprüfungsverfahren grds. an den Prozessbevollmächtigten der bedürftigen Partei zu richten, wenn dieser die Partei im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat. Folge dieser Rspr. ist es, dass der im Rahmen der PKH/VKH beigeordnete Rechtsanwalt auch noch möglicherweise viele Jahre nach Beendigung der Hauptsache Zustellungen im PKH-Überprüfungsverfahren entgegenzunehmen und die diesbezüglichen gerichtlichen Schreiben an seinen Mandanten weiterzuleiten hat. Außerdem muss der beigeordnete Rechtsanwalt für den Mandanten auch im PKH-Überprüfungsverfahren mit dem Gericht korrespondieren. Für seine im Rahmen des PKH-Überprüfungsverfahrens entfalteten Tätigkeiten steht dem Rechtsanwalt neben seiner im Regelfall bereits erhaltenen Vergütung für die Hauptsache kein Vergütungsanspruch gegen den Mandanten und erst recht kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu.
Diese Rechtsfolge ist für viele Rechtsanwälte nicht nur unschön. Sie können ihrer Verpflichtung, den Mandanten auch im PKH-Überprüfungsverfahren, das noch einige Jahre nach Beendigung des Hauptsacherechtstreits betrieben werden kann, häufig nicht so ohne Weiteres nachkommen. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass der Mandant nach Beendigung des Hauptprozesses umzieht, ohne die Notwendigkeit zu sehen, seinem Anwalt seine neue Wohnanschrift mitzuteilen. Dann muss der Rechtsanwalt erst mühsam die neue Anschrift des Mandanten ermitteln, um diesen von dem Stand des PKH-Überprüfungsverfahrens zu informieren.
2. Vermeidungsstrategien
Deshalb nimmt es nicht Wunder, dass der eine oder andere Rechtsanwalt versucht, sich dieser unliebsamen weiteren Tätigkeit im PKH-Überprüfungsverfahren zu entledigen.
Die Kündigung des Mandats und des Vollmachtsvertrages durch den Rechtsanwalt nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens ist allerdings im Regelfall hierzu nicht geeignet. Die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht führt nämlich in vielen Verfahrensarten (s. § 78 Abs. 1, 2 Hs. 2 ZPO, § 114 Abs. 1 FamFG) erst dann zur Wirksamkeit gegenüber dem Gericht, wenn ein anderer Rechtsanwalt seine Bestellung angezeigt hat. Abgesehen hiervon wirkt die öffentlich-rechtliche Beiordnung des Rechtsanwalts ungeachtet eines Erlöschens der Vollmacht grds. weiter.
Eine von vornherein vorgenommene Beschränkung des Anwaltsvertrags und der Vollmacht auf die Vertretung des bedürftigen Mandanten nur im Hauptsacheverfahren, die die Vertretung im PKH-Überprüfungsverfahren ausschließt, ist nach Auffassung des BAG hier und des LAG Köln (AGS 2020, 194 = RVGreport 2019, 435 [Hansens]) nicht zulässig.
Auch auf eine nachträgliche Aufhebung seiner Beiordnung konnte der Rechtsanwalt nicht hoffen. Die – wie vorstehend erwähnt – pflichtwidrige Mandatsbeschränkung stellt nämlich keinen Grund zur Aufhebung der Beiordnung i.S.v. § 48 Abs. 2 BRAO dar. Vielmehr führt – wie man der Entscheidung des BAG entnehmen kann – eine von vornherein vorgenommene Beschränkung des Anwaltsvertrags und der Vollmacht dazu, dass der Rechtsanwalt erst gar nicht gem. § 121 Abs. 2 ZPO beigeordnet wird.
Das einzige Schlupfloch, die weitere kostenlose Tätigkeit im PKH-Überprüfungsverfahren zu vermeiden, könnte darin liegen, dass der Rechtsanwalt den Mandanten nicht schon im PKH-Bewilligungsverfahren vertritt. Denn nach Auffassung des BGH (RVGreport 2012, 38 [Hansens]) gelten die Einschränkungen nur für den Anwalt, der den Mandanten auch schon im PKH-Bewilligungsverfahren vertreten hat. Allerdings ist auch aufgrund eines von dem Mandanten selbst gestellten Antrags auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu prüfen, ob dieser zur Vertretung des Mandanten bereit ist. Legt man auch in solchen Fällen die vom BAG hier entwickelten Maßstäbe an die erforderliche Vertretungsbereitschaft an, die auch das PKH-Überprüfungsverfahren miterfassen muss, schließt dies auch in einem solchen Fall die Beiordnung des Rechtsanwalts aus.
Somit muss der Rechtsanwalt in den "faulen Apfel" beißen, und für den Mandanten – ggf. noch längere Zeit nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens – auch im PKH-Überprüfungsverfahren tätig werden und hierfür im Regelfall keine gesonderte Vergütung zu erhalten.
3. Vergütungsrechtliche Folgen für den Prozessbevollmächtigten des Klägers
Für den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Fall des BAG sehen die gebührenrechtlichen Auswirkungen recht "düster" aus. Ein Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse scheitert daran, dass der Anwalt dem Kläger nicht im Wege der PKH beigeordnet worden ist (s. § 45 RVG). Aufgrund der unterbliebenen Beiordnung ist der Rechtsanwalt zwar nicht durch § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gehindert, seine Vergütungsansprüche gegen den Kläger geltend zu machen...