Votre Jeu

Die überraschende Bestätigung des Urteils des OLG Koblenz vom 8.10.2009[1] durch den BGH ist anwaltsfreundlich, für den rechtsuchenden Bürger – zum Teil – eine weitere Kostenbelastung und für das Thema Rechtssicherheit ein Desaster.

Die Entscheidung ist anwaltsfreundlich, weil sie nunmehr zu einem denkbar frühen Zeitpunkt auch jenen Rechtsanwälten den Verdienst einer "außergerichtlichen" Terminsgebühr sichert, die einen Anspruchsgegner vertreten.

Hierdurch mag es im Einzelfall möglich sein, höhere Gebühren zu generieren als über die vernünftige Ausschöpfung des weiten Gebührenrahmens einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die hier eigentlich bei derartigen Fallgestaltungen beim "Beklagtenvertreter" allein einschlägig wäre.

Das rechtsuchende Publikum sieht sich auf der "Passivseite" einer durch die Rspr. herbeigeführten Gebührenanpassung gegenüber, die im Einzelfall durchaus als schmerzvoll empfunden werden kann.

Im Extremfall wird der Anspruchsgegner seinem Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV, eine Terminsgebühr und gegebenenfalls eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV zu zahlen haben. Gemildert wird das Ergebnis allenfalls dadurch, dass sich der Rechtsanwalt auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV die Geschäftsgebühr bis zu 0,75 wird anrechnen lassen müssen.

Weiter abgefedert mag das Ergebnis auch dadurch werden, dass bei der Bemessung der Rahmengebühr (Nr. 2300 VV) die außergerichtlichen Gespräche mit dem Gegner nicht berücksichtigt werden dürfen, weil es hierfür nunmehr eine Terminsgebühr gibt.

Mögen die Ergebnisse für den rechtsuchenden Bürger also unter dem Strich noch einigermaßen erträglich sein, so ist die Entscheidung selbst ein weiterer, trauriger Beleg dafür, dass sich selbst die höchstrichterliche Rspr. heutzutage nicht nur vom Gesetz, sondern auch von der eigenen Rspr. immer wieder so entfernt, dass Prognosen inzwischen schier unmöglich werden. Ein Zustand, der umso unerfreulicher ist, als von Rechtsanwälten gerade die realistische Einschätzung von Erfolgschancen des Mandates erwartet werden und zwar nicht nur vom Mandanten, sondern auch von der Regressrechtsprechung eben jenes Gerichts, was neuerdings immer wieder zu Verwirrungen beiträgt.

Der Bruch zur Gesetzesnorm und zur zutreffenden bisherigen Rspr. des BGH wurde in der Entscheidung des OLG Koblenz v. 8.10.2009 wenigstens noch deutlich gemacht. Mit bemerkenswerter Ehrlichkeit formulierten die dortigen Richter, dass dem anwaltlichen Vertreter des Anspruchsgegners die Terminsgebühr "bei wortgetreuer Übernahme der Rechtsprechung des BGH nicht" zugesprochen werden könne.[2]

Bei verständiger Würdigung der gesetzlichen Regelung und unter Berücksichtigung der BGH-Rspr. müsse man aber – so das OLG weiter – den Gebührentatbestand der Terminsgebühr auch dann zugunsten der gegnerischen Partei zur Anwendung bringen, wenn auf der Gegenseite ein Klageauftrag vorliege, während der Inanspruchgenommene den Anwalt (zumindest) damit beauftragt habe, derartige Ansprüche abzuwehren.

Nicht mit dem Gesetzestext und auch nicht mit der klaren und bislang eindeutigen Rspr. des BGH begründet das OLG sein Urteil, sondern damit, dass eine Ungleichbehandlung der beiden Rechtsanwälte "sachwidrig" sei.

Es entspricht der richterlichen Unabhängigkeit, dass man derart persönliche Auffassungen in eine Entscheidung einfließen lassen kann. Bedenklich wird es allerdings, wenn die Rspr. sich nicht mehr vom Gesetz oder der höchstrichterlichen Rspr., sondern von individuellen Gerechtigkeitsempfinden leiten lässt. Dies allein deshalb, weil dann Rechtsprechung nicht mehr vorhersehbar und damit die Rechtssicherheit auf der Strecke bleibt.

Nun gibt auch der BGH in seiner Entscheidung vom 1.7.2010 zunächst die bislang geltende Rechtslage zutreffend wieder, in dem er auf die Notwendigkeit eines Klage- oder Verfahrensauftrages für den Anfall einer Terminsgebühr hinweist.

Übrigens ist es ja gerade der zutreffenden Rspr. des BGH überhaupt zu verdanken, dass den unsinnigen Auffassungen Einhalt geboten wurde, für den Verdienst einer Terminsgebühr bedürfe es zumindest der Anhängigkeit eines Verfahrens.

Zu Recht zitiert der BGH auch zahlreiche Literaturmeinungen dafür, dass auch der Beklagtenvertreter für den Anfall einer Terminsgebühr auf seiner Seite ein Prozessmandat benötige, der Verfahrensauftrag beim Klägervertreter allein, ihn also noch nicht gebührenrechtlich begünstige.

Und dann kommt der überraschende Bruch bzw. der nicht aufzulösende Widerspruch in der eigenen Argumentation des Senats.

Da heißt es zunächst, der Senat könne im Streitfall offen lassen, ob dies wirklich erforderlich sei, da "ein dahingehender Verfahrensauftrag ... vor der Besprechung vom 20.2.2006 erteilt worden" sei.

Im Folgenden sucht man nach einem solchen Auftrag dann allerdings vergebens. Vielmehr wird mit reinen Unterstellungen gearbeitet und mit "Gesamtumständen", die irgend etwas "ersichtlich" machten. Mit einer Auslegung des Gesetzestextes und mit einer Ums...

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