RVG VV Nrn. 5200, 5110

Leitsatz

Dem Terminsvertreter in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren steht nicht nur die Einzeltätigkeitsgebühr nach Nr. 5200 VV, sondern auch die Terminsgebühr nach Nr. 5110 VV zu.

LG Wuppertal, Beschl. v. 7.7.2010–26 Qs 149/10

Sachverhalt

Gegen den Betroffenen war ein Bußgeldbescheid ergangen, gegen den er durch seinen Verteidiger Einspruch eingelegt hatte. Zum Termin der Hauptverhandlung wurde ein anderer Anwalt als Terminsvertreter beauftragt. Dieser nahm den Termin wahr und erreichte, dass das Verfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt wurde. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren wurden für den Terminsvertreter sowohl die Verfahrensgebühr nach Nr. 5200 VV angemeldet, als auch eine Terminsgebühr nach Nr. 5110 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Diese Vergütung wurde auch antragsgemäß festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Ansatz der Terminsgebühr hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Die Rechtspflegerin hat mit zutreffenden Erwägungen auch die Gebühr nach Nr. 5110 VV zugesprochen.

Aufgrund der ihm erteilten Vollmacht ist der Terminsvertreter berechtigt, die im Zusammenhang mit seiner Terminswahrnehmung entstandenen Gebühren und Auslagen geltend zu machen.

Durch die Wahrnehmung des Termins in Untervollmacht ist eine Gebühr nach Nr. 5110 VV angefallen, unabhängig davon, ob der Termin durch den mit der Sachen umfassend betrauten Verteidiger oder an seiner Stelle durch einen unterbevollmächtigten Anwalt, wie hier, wahrgenommen worden ist. Gebühren entstehen in diesem Fall in gleichem Umfang wie bei einer Terminswahrnehmung durch den Verteidiger selbst (so zu der vergleichbaren Problematik bei einem beigeordneten Pflichtverteidiger: OLG Karlsruhe – 3 Ws 281/08). Dass für eine Einzeltätigkeit ausschließlich die Gebühr nach Nr. 5200 VV abrechenbar sein soll, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und würde auch nicht zu einem sachgerechten Ergebnis führen.

Anmerkung

Die Entscheidung ist zwar für die Anwaltschaft erfreulich, leider jedoch mit dem RVG nicht vereinbar und daher falsch. Das LG verkennt das Gebührensystem in Bußgeldsachen. Bußgeldsachen richten sich nach Teil 5 VV. Dieser Teil enthält zwei Abschnitte, nämlich Abschnitt 1, der die "Gebühren des Verteidigers" regelt und Abschnitt 2, der "Einzeltätigkeiten" betrifft.

Die Gebühren in Abschnitt 1 betreffen nur den "Voll"-Verteidiger, also den Anwalt, der mit der Verteidigung im gesamten Verfahren befasst ist. Werden einem Anwalt einzelne Verteidigungshandlungen übertragen, liegt nur eine Einzeltätigkeit nach Nr. 5200 VV vor. Die hier vorgenommene Abrechnung ist schon deshalb unzutreffend, weil die Gebühren nach Abschnitt 1 und Abschnitt 2 sich wechselseitig ausschließen. Entweder ist der Anwalt Verteidiger, dann gilt Abschnitt 1, oder erst ist nicht Verteidiger, dann gilt Abschnitt 2. Der Anwalt kann aber nicht zugleich Verteidiger und Nichtverteidiger sein. Dass das Ergebnis möglicherweise "ungerecht" ist, berechtigt das Gericht jedenfalls nicht, den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zu verbiegen.

Soll ein Hauptverhandlungstermin von einem anderen Anwalt als dem Verteidiger wahrgenommen werden, bestehen drei Möglichkeiten:

  Für den Termin kann ein Terminsvertreter beauftragt werden. Dann erhält der Verteidiger nur die Grund- und Verfahrensgebühr, aber keine Terminsgebühr. Der Terminsvertreter erhält die Vergütung nach Nr. 5200 VV. Eine Terminsgebühr fällt dann überhaupt nicht an.
  Der Verteidiger kann den weiteren Anwalt, der den Termin wahrnehmen soll, im eigenen Namen als Vertreter beauftragen. Dann verdient der Verteidiger über § 5 RVG die Terminsgebühr in eigener Person. Inwieweit der Terminsvertreter vergütet wird, hängt von der Vereinbarung ab, die er mit dem Verteidiger trifft. Die Vertretung kann kollegialiter unentgeltlich erfolgen. Es kann eine Vergütung nach RVG vereinbart werden oder auch eine abweichende. Verteidiger und Terminsvertreter sind hier bei der zu treffenden Vereinbarung frei, da im Verhältnis der Anwälte untereinander das RVG nicht gilt.
  Als dritte Möglichkeit kommt in Betracht, dass der Terminsvertreter als Vollverteidiger beauftragt wird. Dagegen bestehen keine Bedenken, da ein Betroffener bis zu drei Verteidiger haben darf. In diesem Falle würden für den Terminsvertreter allerdings die Grund-, die Verfahrens- und die Terminsgebühr anfallen. Von diesen Mehrkosten wäre allerdings nur die Terminsgebühr erstattungsfähig. Grund- und Verfahrensgebühr wären lediglich insoweit erstattungsfähig, als durch die Einschaltung des Terminsvertreters Reisekosten des ersten Verteidigers vermieden worden sind.

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