Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet, denn die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV war anteilig zur Hälfte um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu kürzen.
Nach der Anrechnungsvorschrift Vorbem. 3 Abs. 4 VV wird eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstandes nach den Nrn. 2300–2303 VV entsteht, grundsätzlich zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen hier entgegen der Ansicht der Klägerin vor.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass durch die außergerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten in derselben Sache eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 gem. Nr. 2300 VV entstanden sei. Aufgrund dieses Vortrages ist das Versäumnisurteil des LG ergangen, das mittlerweile rechtskräftig ist. Soweit die Klägerin nunmehr im Kostenfestsetzungsverfahren vortragen will, dass keine gesetzliche Gebühr entstanden sei, sondern sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der außergerichtlichen Tätigkeit eine individuelle Gebührenvereinbarung getroffen habe, steht dieser Vortrag nicht im Einklang mit der eingereichten Vergütungsvereinbarung vom 10./11.9.2009, da sich diese gem. Nr. 1 der Vereinbarung ausdrücklich nur auf anwaltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem "gerichtlichen Verfahren" bezieht, also ausdrücklich nicht auf die hier streitgegenständliche Geschäftsgebühr. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist auch die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, wie sich bereits aus dem eigenen Kostenfestsetzungsantrag ergibt. Die behauptete individuelle Vergütungsvereinbarung steht daher der Anwendung der Anrechnungsvorschrift nicht entgegen, da im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die Festsetzung individuell vereinbarter Rechtsanwaltshonorare beantragt wird.
Unerheblich ist, dass die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter im Innenverhältnis die Anrechnung einer außergerichtlichen Geschäftsgebühr in der Vergütungsvereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen haben. Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind dem Gegner nur die erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
Es ist nicht ersichtlich, dass die geschlossene Vereinbarung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Hierauf hat der Senat bereits hingewiesen, ohne dass ein entsprechender ergänzender Sachvortrag erfolgt ist. Parteien haben die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle des Obsiegens erstattet verlangen wollen, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rn 12). Der individuell vereinbarte Ausschluss der Anrechenbarkeit der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr steht daher der Anwendung der Anrechnungsvorschrift nicht entgegen.
Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, ist in Rspr. und Lit. umstritten. Einige Senate des BGH vertreten die Auffassung, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auch auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahren anzurechnen ist. Dabei sei es gleichgültig, ob die Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist (BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07; Beschl. v. 30.4.2008 – III ZB 8/08; Beschl. v. 16.7.2008 – IV ZB 24/07; Beschl. v. 29.9.2009 – X ZB 1/09).
Andere Senate des BGH vertreten dem gegenüber die Auffassung, dass sich die Anrechnung gem. der Vorbem. 3 Abs. 4 VV im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht auswirke. Mit Einfügung des § 15a Abs. 1 RVG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass sich die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich nicht im Verhältnis zu Dritten auswirke und damit nur ausnahmsweise in den in § 15a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen eine Anrechnung vorzunehmen sei (BGH, Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07; Beschl. v. 3.2.2010 – XII ZB 177/09; Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 82/08).
Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits kommt es hier nicht darauf an, ob grundsätzlich eine Anrechnung zu erfolgen hat oder nur unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG. Nach beiden Ansichten hat hier eine Anrechnung zu erfolgen.
Nach der erst genannten Ansicht hat grundsätzlich und nach letzterer Auffassung nur ausnahmsweise eine Anrechnung zu erfolgen. Die Voraussetzungen, nach denen ausnahmsweise eine Anrechnung zu erfolgen hat, liegen hier vor.
Gem. § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht worden sind.
Unstreitig hat das LG in dem streitgegenständlichen Versäumnisurteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses die Ansprüche gegen die Beklagte wegen der Geschäftsgebühr bereits tituliert. Wie...