Kontrovers diskutiert wird derzeit die Frage, ob die Kosten eines Terminsvertreters, den der Anwalt in eigenem Namen beauftragt, vom Gegner erstattet verlangt werden können. Das OLG München (S. 448) m. zust. Anm. Hansens hat dies wieder einmal verneint. Entgegen der Anmerkung von Hansens halte ich diese Entscheidung für unzutreffend.
Schon die plakative Aussage im Leitzsatz "Wer die Musik bestellt, bezahlt" zeigt, dass das OLG München das Problem gar nicht erfasst hat. Selbstverständlich bezahlt derjenige die Musik, der sie bestellt hat. Fährt ein Anwalt mit der Bahn und anschließend mit dem Taxi zum Gericht, dann hat er die Bahn und das Taxi bestellt und muss beides selbstverständlich auch bezahlen. Darum geht es hier aber gar nicht. Es geht um die Frage, ob solche Aufwendungen dem Mandanten in Rechnung gestellt werden können und ob der Mandant diese Kosten später vom erstattungspflichtigen Gegner erstattet verlangen kann. Und genau das kann er.
Entgegen der Auffassung einiger Gerichte beauftragt der Anwalt den Terminsvertreter nicht in eigenem Interesse, um die Terminsgebühr zu verdienen. Der Anwalt beauftragt den Terminsvertreter, damit er nicht die weite Reise zum Gericht antreten muss und dadurch Zeit verliert und dem Mandanten hohe Kosten verursacht.
Es liegt letztlich im Interesse aller Beteiligten, wenn die günstigere Variante gewählt wird, indem der Anwalt in eigenem Namen einen Terminsvertreter beauftragt.
Beispiel
Anwalt und Mandant haben ihren Sitz in Köln. Es kommt zu einem Rechtsstreit vor dem LG München I. Der Streitwert beträgt 50.000,00 EUR. Im Einverständnis mit dem Kläger beauftragt der Anwalt in München einen Terminsvertreter und handelt mit ihm ein Pauschalhonorar für die Terminsvertretung i.H.v. 500,00 EUR (netto) aus. Der Anwalt zahlt daraufhin an den Terminsvertreter die vereinbarten 500,00 EUR und stellt diese sodann dem Mandanten in Rechnung.
Wäre der Anwalt selbst zum Termin gefahren, dann wären bei Nutzung des eigenen Pkw folgende Fahrtkosten angefallen:
1. |
Reisekosten Pkw, |
524,16 EUR |
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Köln-München und zurück |
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(2 x 624 km x 0,42 EUR/km) |
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2. |
Abwesenheitspauschale, Nr. 7005 Nr. 3 VV |
80,00 EUR |
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604,16 EUR |
Wäre ein Terminsvertreter im Namen der Partei beauftragt worden, wären folgende Mehrkosten angefallen:
1. |
0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV |
831,35 EUR |
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(Wert: 50.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Gesamt |
851,35 EUR |
Die Beauftragung des Terminsvertreters durch den Anwalt mit 500,00 EUR ist also die deutlich günstigste Variante. Warum diese geringeren Kosten nicht erstattungsfähig sein sollen, ist nicht nachvollziehbar.
Soweit das OLG München ausführt, es handele sich nicht um Auslagen i.S.d. Vorbem. 7 Abs. 1 VV, ist dies schlichtweg falsch. Seit über 30 Jahren ist in der Rspr. anerkannt, dass im Rahmen der Prozesskostenhilfe die Kosten eines vom Anwalt beauftragten Terminsvertreters als Auslagen (§ 46 RVG) aus der Staatskasse zu vergüten sind (OLG Schleswig JurBüro 1985, 247; OLG Hamm AGS 2014, 194; OLG Brandenburg AGS 2008, 293). Es wäre mir nicht bekannt, dass es relative Auslagen gibt, dass also der Begriff der Auslagen für den Wahlanwalt anders zu definieren wäre als für den Pflichtanwalt.
Soweit das OLG München auf die Entscheidungen des BGH (AGS 2011, 568) und des OLG Koblenz (AGS 2013, 150) Bezug nimmt, ist auch dies unzutreffend. Dort ging es ausschließlich um die Frage, wie die Kosten eines vom Mandanten selbst beauftragten Terminsvertreters glaubhaft zu machen sind. Mit der Frage, ob und inwieweit die Kosten eines vom Anwalt beauftragten Terminsvertreters erstattungsfähig sind, haben sich der BGH und das OLG Koblenz überhaupt nicht befasst.
Im Gegensatz zum OLG München haben andere Gerichte die Rechtslage zutreffend erfasst und bejahen die Erstattung der Kosten eines vom Anwalt beauftragten Terminsvertreters, soweit sie unter den Kosten der eigenen Reise des Anwalts oder eines im Namen der Partei beauftragten Terminsvertreters liegen (AG Berlin-Mitte AGS 2020, 302; AG Hannover NJW-Spezial 2020, 381; KG, Beschl. v. 20.11.2003 – 1 W 437/03; LG Flensburg, Beschl. v. 24.7.2019 – 8 T 3/17).
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des OLG München nicht rechtskräftig geworden ist. Gegen diese Entscheidung ist die zugelassene Rechtsbeschwerde erhoben worden (anhängig unter X ARZ 477/22). Der BGH wird also diese Frage nunmehr zu entscheiden haben.
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Autor: Norbert Schneider
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 10/2022, S. II