Leitsatz
Der (eklatante) Verstoß des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die ihm nach § 55 Abs. 5 S. 2 und 4 RVG obliegende Verpflichtung, empfangene Mandantenzahlungen mitzuteilen, führt nicht zwingend zu einem Wegfall oder einer Kürzung der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung.
OLG Hamm, Beschl. v. 15.2.2016 – 6 WF 46/14
1 Sachverhalt
Der Antragsteller war durch Beschluss des AG der Mandantin in einem Scheidungsverfahren unter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet worden. Im Termin vor dem AG einigten sich die Eheleute unter Mitwirkung des Antragstellers über Unterhaltszahlungen, den Zugewinn und die sonstige Vermögensauseinandersetzung; außerdem stimmten die Eheleute darin überein, dass der Haushalt bereits geteilt war. Durch Beschluss vom selben Tage wurde der Mandantin auch Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss des Vergleichs bewilligt. Den Wert für das Scheidungsverfahren setzte das AG auf 12.600,00 EUR und denjenigen für den Versorgungsausgleich (vorläufig) auf 1.000,00 EUR fest. Den Gegenstandswert des Vergleichs bestimmte das AG auf 56.400,00 EUR. Durch Beschluss vom selben Tage sprach das AG die Scheidung aus.
Am 17.9.2010 beantragte der Antragsteller, seine Vergütung aus der Staatskasse mit 1.884,96 EUR festzusetzen. Neben einer 1,3-Verfahrensgebühr aus einem Wert von 13.600,00 EUR stellte er eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr aus einem Wert von 56.400,00 EUR, eine 1,2 Terminsgebühr aus 70.000,00 EUR, eine 1,5 Einigungsgebühr aus einem Wert von 56.400,00 EUR sowie die Pauschale nach Nr. 7002 VV und die gesetzliche Umsatzsteuer in Rechnung. Mit dem Antrag erklärte er, für eine außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes sei keine Gebühr nach Nrn. 2300–2303 VV entstanden und dass er spätere Zahlungen entsprechend § 55 Abs. 5 S. 2, 2. Hs. RVG anzeigen werde. Tatsächlich hatte er von der Mandantin aufgrund seiner Rechnungen vom 30.12.2009 und 30.6.2010 pauschale Honorarvorschüsse von 500,00 EUR bzw. 1.000,00 EUR, jeweils zuzüglich einer Pauschale für Post-und Telekommunikationsdienstleistungen und der gesetzlichen Umsatzsteuer (= 618,80 EUR bzw. 1.213,80 EUR), erhalten. Aufgrund seiner Rechnung v. 7.10.2010 ließ er sich ein weiteres Honorar von 500,00 EUR, diesmal einschließlich der Pauschale sowie der Umsatzsteuer, von seiner Mandantin zahlen. Ohne Kenntnis von den Zahlungen der Mandantin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Antragsteller im Vorschusswege zu erstattende Vergütung antragsgemäß auf 1.884,96 EUR festgesetzt.
Diese Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.332,60 EUR wurden im nachträglichen Verfahren zur Überprüfung der fortdauernden Bedürftigkeit der Mandantin aktenkundig. Mit Schriftsatz vom 23.7.2013 erklärte der Antragsteller, die pauschalen Vorschüsse von netto 500,00 EUR und netto 1.000,00 EUR für Verhandlungen in Rechnung gestellt zu haben, die unter anderem in eine Vereinbarung hinsichtlich des gemeinsamen Hauses der Eheleute gemündet hätten; nach der Scheidung habe er sich mit seiner Mandantin im Oktober 2010 zur Abgeltung dieser Verhandlungen auf eine pauschale abschließende Zahlung von 500,00 EUR geeinigt.
Durch Entscheidung v. 4.11.2013 und nach Kenntniserlangung von den Zahlungen der Mandantin hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung abweichend von dem Beschl. v. 13.10.2010 auf 0,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass mangels Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Mehrvergleich die Terminsgebühr lediglich aus einem Wert von 13.600,00 EUR entstanden sei, so dass sich eine Vergütung von 1.693,61 EUR ergebe. Da die Mandantin nach der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe insgesamt 1.713,80 EUR (1.213,80 EUR + 500,00 EUR) an den Antragsteller gezahlt habe, seien diese Beträge auf die Vergütung anzurechnen, so dass ein Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse nicht mehr bestehe. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Erinnerung des Antragstellers hat das AG zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
2 Aus den Gründen
Die nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Aufgrund der Festsetzung vom 13.10.2010 steht dem Antragsteller eine – bereits gezahlte – Vergütung von 1.884,96 EUR zu; die nachträglich bekannt gewordenen Zahlungen der Mandantin von insgesamt 2.332,60 EUR sind im Ergebnis auf diese Vergütung nicht anzurechnen.
1. Die am 13.10.2010 vorgenommene Festsetzung eines Honoraranspruchs von 1.884,96 EUR ist für das weitere Verfahren bindend. Eine Abänderung von Amts wegen sieht § 55 RVG im Gegensatz etwa zu § 63 Abs. 3 S. 1 GKG nicht vor (vgl. Hartmann, KostG, 45. Aufl., 2015, § 55 Rn 33; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl., 2013, § 56 Rn 5f.), so dass selbst bei einer fehlerhaften Festsetzung eine Abänderung nur auf die Erinnerung des Vertreters der Landeskasse stattfinden kann. Auf die Frage, ob das AG zutreffend neben der Einigungsgebühr auch eine Verfahrensdifferenz- u...