Schließen die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren einen Vergleich, so wird häufig für die Kosten des Rechtsstreits eine andere Verteilung vereinbart als für die Kosten des Vergleichs. Dabei wird in der Regel für die Kosten des Rechtsstreits eine Quote gebildet oder diese werden vollständig von einer Partei übernommen, während die Kosten des Vergleichs in Anwendung des § 98 ZPO gegeneinander aufgehoben werden. Dies bereitet in der Praxis keine Probleme. Die Einigungsgebühr trägt jede Partei selbst und die übrigen Kosten werden entsprechend der vereinbarten Quote festgesetzt bzw. ausgeglichen.
Probleme bereitet die Kostenerstattung, wenn die Parteien in dem Vergleich auch nicht anhängige Gegenstände geregelt haben, wenn sie also einen sog. Mehrwertvergleich geschlossen haben. Es stellt sich dann die Frage, ob die sog. "Differenzgebühren" zu den Kosten des Vergleichs oder zu den Kosten des Verfahrens gehören.
Beispiel
Eingeklagt worden sind 10.000,00 EUR. Die Parteien einigen sich unter Beteiligung ihrer Anwälte über die Klageforderung und weitere 5.000,00 EUR, die nicht anhängig sind. Hinsichtlich der Kosten vereinbaren sie, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Beklagten zu tragen sind und die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.
Aufgrund des Vergleichs ermäßigt sich die 3,0-Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen (Nr. 1210 GKG-KostVerz.) gem. Nr. 1211 Nr. GKG-KostVerz. auf 1,0. Sie berechnet sich nach dem Streitwert der anhängigen Ansprüche, also nach 10.000,00 EUR.
Aus dem Mehrwert des Vergleichs (5.000,00 EUR) entsteht eine weitere 0,25-Gebühr nach Nr. 1900 GKG-KostVerz.
Insoweit ist eindeutig, dass die 0,25-Gebühr zu den Kosten des Vergleichs gehört und die übrigen Kosten vom Beklagten zu tragen sind.
Für die Anwälte entsteht neben der 1,0-Einigungsgebühr aus dem Wert der anhängigen Ansprüche unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,5-Einigungsgebühr aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände.
Neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV RVG aus dem Wert der anhängigen 10.000,00 EUR entsteht jetzt aber auch noch nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG eine 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr, wiederum unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG.
Des Weiteren entsteht auch die Terminsgebühr nach einem höheren Wert, nämlich nach dem Gesamtwert unter Einbeziehung der nicht anhängigen Gegenstände.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, |
725,40 EUR |
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Nr. 3100 VV RVG |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, |
242,40 EUR |
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Nrn. 3100, 3101 VV RVG |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG |
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nicht mehr als |
845,00 EUR |
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1,3-Gebühr aus 15.000,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, |
780,00 EUR |
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Nr. 3104 VV RVG |
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|
(Wert: 15.000,00 EUR) |
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4. |
1,0-Einigungsgebühr, |
558,00 EUR |
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Nrn. 1000, 1003 VV RVG |
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|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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5. |
1,5-Einigungsgebühr, |
454,40 EUR |
|
Nr. 1000 VV RVG |
|
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
gem. § 15 Abs. 3 RVG |
|
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nicht mehr als |
975,00 EUR |
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1,5-Gebühr aus 15.000,00 EUR |
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6. |
Postentgeltpauschale, |
20,00 EUR |
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Nr. 7002 VV |
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Zwischensumme |
2.620,00 EUR |
7. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
497,80 EUR |
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Gesamt |
3.117,80 EUR |
Dass beide Einigungsgebühren bzw. das nach § 15 Abs. 3 RVG gekürzte Gesamtaufkommen zu den gegeneinander aufgehobenen Kosten gehören, ist eindeutig.
Hinsichtlich der beiden "Differenzgebühren" ist strittig, wie diese zu behandeln sind.
Es ließe sich jetzt argumentieren, die Differenzgebühren müssten der Kostenquote folgen, da es sich nicht um Kosten des Vergleichs handele. Die Differenzgebühren entstehen nämlich nicht erst mit Abschluss des Vergleichs, sondern bereits mit Beginn der Einigungsverhandlungen. Sie sind also – im Gegensatz zu den Einigungsgebühren – nicht davon abhängig, dass es tatsächlich zum Vergleich kommt, bzw. der Vergleichs Bestand behält. Sie sind davon unabhängig und bleiben auch bestehen, wenn es nicht zu Vergleichsanschluss kommt oder der Vergleich widerrufen wird.
Abwandlung
Wie vorstehendes Beispiel, jedoch
a) scheitern die Vergleichsverhandlungen, so dass es nicht zum Abschluss des Vergleichs kommt;
b) ist der Vergleich unter Widerruf abgeschlossen, aber von einer Partei widerrufen worden.
Abzurechnen ist in beiden Fällen wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, |
725,40 EUR |
|
Nr. 3100 VV RVG |
|
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
0,8-Verfahrensgebühr, |
242,40 EUR |
|
Nrn. 3100, 3101 VV RVG |
|
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
gem. § 15 Abs. 3 RVG |
|
|
nicht mehr als |
845,00 EUR |
|
1,3-Gebühr aus 15.000,00 EUR |
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, |
780,00 EUR |
|
Nr. 3104 VV RVG |
|
|
(Wert: 15.000,00 EUR) |
|
4. |
Postentgeltpauschale, |
20,00 EUR |
|
Nr. 7002 VV |
|
|
Zwischensumme |
1.645,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, |
312,55 EUR |
|
Nr. 7008 VV |
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|
Gesamt |
1.957,55 EUR |
An der Verfahrens- und der Terminsdifferenzgebühr ändert sich also durch den Wegfall der Einigung nichts, da diese Gebühren bereits für das Verhandeln entstehen und nicht vom Vergleichsabschluss bzw. dessen Bestand abhängig sind.
Die bisher überwiegende Rechtsprechung hat die Differenzgebühren jedoch schon als Kosten des Vergleichs ang...