I. Fragen
1. Fall 1
Nach Eingang der Klageschrift über eine Hauptforderung i.H.v. 10.000,00 EUR, die dem Beklagten zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellt worden ist, ruft der zuständige Richter zunächst den Klägervertreter und dann den Beklagtenvertreter an und schlägt den Parteien den Abschluss eines Vergleichs vor, nach dem der Beklagte zum Ausgleich der Klageforderung an den Kläger 7.000,00 EUR zahlt. Von den Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs sollen nach dem Vorschlag des Richters der Beklagte 7/10 und der Kläger 3/10 übernehmen. Nach mehreren Einzelgesprächen des Richters mit den Prozessbevollmächtigten der Parteien schließen diese unter Mitwirkung ihrer Rechtsanwälte einen schriftlichen außergerichtlichen Vergleich. Danach zahlt der Beklagte an den Kläger zum Ausgleich der Klageforderung 7.500,00 EUR. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden von dem Beklagten zu 75 % und vom Kläger zu 25 % übernommen. So wird dann verfahren. Der Kläger nimmt nach Zahlung der 7.500,00 EUR – wie ebenfalls in dem Vergleich vereinbart – die Klage zurück.
Welche Vergütung steht den nach dem 31.12.2020 von ihren jeweiligen Mandanten beauftragten Prozessbevollmächtigten zu?
2. Fall 2
Der Kläger klagt vor dem LG Berlin gegen die B-Bank mit Sitz in Frankfurt/Main auf Rückzahlung von Gebühren i.H.v. 2.000,00 EUR, weil deren Berechnung nicht der neuen Rspr. des BGH im Urt. v. 27.4.2021 entsprochen hat. Die Bank hatte die Gebührenerhöhungen darauf gestützt, dass der Kläger den von der Bank jeweils angekündigten Erhöhungen nicht widersprochen hat. Unter Hinweis auf die Entscheidungen des EuGH in den Urteilen vom 10.6.2021 verlangt der Kläger die Rückzahlung der in den letzten zehn Jahren gezahlten Gebühren.
Auf welche Kosten muss der Klägervertreter seinen Mandanten bei der Belehrung über das Prozesskostenrisiko hinweisen?
II. Lösungen
1. Lösung zu Fall 1
I. Anwendbares Vergütungsrecht
Gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG berechnet sich die Vergütung des Rechtsanwalt nach der ab 1.1.2021 geltenden Fassung des RVG, weil beide Rechtsanwälte den Auftrag nach dem 30.12.2021 erhalten haben.
II. Vergütung des Klägervertreters
1. Verfahrensgebühr
Für das Einreichen der Klageschrift ist dem Rechtsanwalt nach einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angefallen (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV).
2. Terminsgebühr
Ob für die Einzelgespräche mit dem Richter nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV dem Anwalt eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV angefallen ist, ist unter Zugrundelegung der Rspr. umstritten. Auf diesen Streit kommt es hier nicht an, weil der Klägervertreter die Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV berechnen kann. Er hat nämlich in einem Rechtsstreit, für das die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, einen Einigungsvertrag geschlossen. Der gerichtlichen Mitwirkung hieran bedarf es nach der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht. Es kommt somit auch nicht darauf an, ob diese Mitwirkung in den Einzeltelefonaten des Richters mit den Rechtsanwälten zu sehen ist.
3. Einigungsgebühr
Die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs hat die 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV ausgelöst.
4. Kostenberechnung des Klägervertreters
Somit erstellt der Klägervertreter folgende Kostenberechnung:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
798,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
2. |
1,2-Terminsgebühr, Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV |
736,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
614,00 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
412,11 EUR |
|
Gesamt |
2.581,11 EUR |
III. Vergütung des Beklagtenvertreters
1. Verfahrensgebühr
Dem Beklagtenvertreter ist lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV angefallen, da er keine der in dieser Bestimmung geregelten die volle Verfahrensgebühr auslösenden Tätigkeiten entfaltet hat. Insbesondere hat der Beklagtenvertreter keinen Schriftsatz mit Sachantrag, etwa einen Klageabweisungsantrag, bei Gericht eingereicht.
2. Termins- und Einigungsgebühr
Hinsichtlich des Anfalls der 1,2-Terminsgebühr und der 1,0-Einigungsgebühr beim Beklagtenvertreter kann auf die Ausführungen zur Vergütung des Klägervertreters unter II. 2. und 3. verwiesen werden.
3. Kostenberechnung des Beklagtenvertreter
Der Rechtsanwalt des Beklagten erstellt somit folgende Kostenberechnung:
1. |
0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 Nr. 1 VV |
491,20 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV |
736,80 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
614,00 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
353,78 EUR |
|
Gesamt |
2.215,78 EUR |
2. Lösung zu Fall 2
Zunächst hat der Klägervertreter seinen Mandanten auf seine eigene voraussichtlich anfallende Vergütung hinzuweisen. Diese besteht aus einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, einer 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV und 19 % Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV auf den Gesamtvergütungsbetrag. Als Gegenstandswert ist ...