Nrn. 3100, 3104, 3401, 3402, 3405 Nr. 2 VV RVG
Leitsatz
Zum Anfall der Gebühren für den Prozessbevollmächtigten einerseits und dem von der Partei beauftragten Terminsvertreter andererseits, wenn das Verfahren ohne Durchführung eines Verhandlungstermins durch Erlass eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren erledigt wird.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.7.2022 – 6 W 37/22
I. Sachverhalt
Die Klägerin hatte für den vor dem LG Frankfurt (Oder) anhängig gemachten Rechtsstreit einen Prozessbevollmächtigten und einen Terminsvertreter beauftragt. Der Rechtsstreit endete durch Erlass eines Anerkenntnisurteils gem. § 307 ZPO im schriftlichen Verfahren. Der von der Klägerin beauftragte Terminsvertreter hat einen Verhandlungstermin nicht wahrgenommen.
Aufgrund der zu ihren Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat die Klägerin die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten sowie ihres Terminsvertreters geltend gemacht. Der Rechtspfleger des LG Frankfurt (Oder) hat dem Kostenfestsetzungsantrag entsprochen. Der Beklagte hatte gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt und die Festsetzung der für den Terminsvertreter geltend gemachten Kosten beanstandet. Das OLG Brandenburg hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und sich in seiner Entscheidung mit den den beteiligten Rechtsanwälten angefallenen Gebühren befasst.
II. Gebühren des Prozessbevollmächtigten
Der für die Führung des Rechtsstreits vor dem LG Frankfurt (Oder) von der Klägerin beauftragte Prozessbevollmächtigte hat folgende Gebühren (und Auslagen) verdient:
1. Verfahrensgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts. Bereits für das Einreichen der Klageschrift ist dem Prozessbevollmächtigten die 1,3-Verfahrensgebühr angefallen (s. Nr. 3101 Nr. 1 VV).
2. Terminsgebühr
Grds. entsteht dem Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV für die Wahrnehmung von gerichtlichen und außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, was in der vorgenannten Vorschrift näher ausgeführt wird. Der Kreis der Tätigkeiten, die bei dem Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr auslöst, wird durch Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV erweitert, wonach die Terminsgebühr auch entsteht, wenn eine der dort nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist.
Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weder einen gerichtlichen Termin vor dem LG Frankfurt (Oder) wahrgenommen, noch hat er eine Besprechung zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens (s. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV) geführt. Der Prozessbevollmächtigte hat allerdings in dem Rechtsstreit, für den die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, gem. § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung ein Anerkenntnisurteil erwirkt. Hierdurch ist dem Prozessbevollmächtigten nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV die 1,2-Terminsgebühr entstanden.
3. Berechnung der Vergütung
Somit waren dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin folgende Gebühren und Auslagen angefallen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
865,80 EUR |
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(Wert: 11.833,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV |
799,20 EUR |
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(Wert: 11.833,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
320,15 EUR |
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Gesamt |
2.005,15 EUR |
III. Gebühren des Terminsvertreters
1. Verfahrensgebühr
a) Grundsatz
Das OLG Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass dem Terminsvertreter, dessen Auftrag sich auf die Vertretung in einem Termin i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV beschränkt, grds. eine Verfahrensgebühr i.H.d. Hälfte der dem Verfahrensbevollmächtigten oder Prozessbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr anfällt. Diese Vorschrift ist allerdings missverständlich, da für die Berechnung der Verfahrensgebühr nicht auf die dem Hauptbevollmächtigten tatsächlich angefallene Verfahrensgebühr abzustellen ist. Dies wird bereits dadurch belegt, dass die Partei einen Terminsvertreter bestellen kann, wenn sie keinen Prozessbevollmächtigten beauftragt, sondern den (Partei-)Prozess selbst führt. In diesem Fall fehlt es an einer Anknüpfung der Verfahrensgebühr des Terminsvertreters an die dem Hauptbevollmächtigten konkret angefallene Verfahrensgebühr (s. AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2022, Nr. 3401, 3402 VV Rn 47). Folglich ist auf die Verfahrensgebühr abzustellen, die der Terminsvertreter verdient hätte, wenn er selbst Hauptbevollmächtigter wäre.
b) Ausnahme: Vorzeitige Beendigung des Auftrags
Vorliegend war dem Terminsvertreter der Klägerin nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg jedoch nicht die Hälfte der einem Prozessbevollmächtigten angefallenen Verfahrensgebühr, hier also eine 0,65-Verfahrensgebühr, angefallen. Dies lag hier daran, dass der Terminsvertreter infolge des Erlasses des Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren keinen Termin (mehr) wahrgenommen hat. Mit Erlass des Anerkenntnisurteils war der Auftrag des Terminsvertreters beendet, weil eine Terminsvertretung nicht mehr in Betracht kam. In diesem Fall, in dem der Auftrag des Terminsvertreters endet, bevor der Termin begonnen hat oder – wie hier – überhaupt kein Termin (me...