Leitsatz
- Auch bei einem Unterwerfungsvergleich entsteht eine Einigungsgebühr. Dieser erfüllt gleichwohl die Voraussetzungen an einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. Nrn. 1000 Abs. 1, 4, 1006 VV.
- Bei gemeinsamer Einigung in mehreren Rechtstreitigkeiten entsteht nur eine (einheitliche) Einigungsgebühr; dies selbst dann, wenn eine Verbindung nicht erfolgt ist.
- Bei gemeinsamer Verhandlung mehrerer nicht verbundener Verfahren fällt in jeder Streitsache eine Terminsgebühr an. Für die jeweilige Höhe der Terminsgebühr ist die auf das einzelne Verfahren konkret entfallende Terminsdauer maßgeblich.
- Der Rechtsanwalt kann bei erfolgter Verfahrensverbindung wählen, ob die Vergütung einheitlich für die verbundenen Verfahren oder für die vor Verbindung noch selbstständigen Verfahren geltend gemacht wird.
LSG NRW, Beschl. v. 6.10.2016 – L 19 AS 646/16 B
1 Sachverhalt
Die Kläger zu 1) und ihr minderjähriger Sohn, der Kläger zu 2), bilden eine Bedarfsgemeinschaft und standen im Leistungsbezug der Beklagten. Streitgegenstand des vorliegenden Ausgangsverfahrens (S 28 AS 1288/11) waren zwei Änderungsbescheide in Gestalt eines Widerspruchsbescheids, mit welchem den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt worden waren. Die Kläger verfolgten auch im Klageweg ihr Begehren – Berücksichtigung eines Mehrbedarfs gem. § 21 Abs. 5 SGB II wegen Laktoseintoleranz sowie gem. § 21 Abs. 7 SGB II wegen erhöhten Warmwassermehrbedarfs des Klägers zu 2) und Berücksichtigung der Heizstromkosten als Bedarf nach § 22 SGB II – weiter.
In einem weiteren Verfahren der Kläger (S 28 AS 843/11) begehrten diese u.a. ebenso einen Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz sowie einen erhöhten Warmwassermehrbedarf des Klägers zu 2).
Neben diesen beiden Verfahren vertrat der Bevollmächtigte die Kläger auch in zwölf weiteren Verfahren vor dem SG. In sämtlichen Verfahren wurde den Klägern Prozesskostenhilfe bewilligt und der Prozessbevollmächtigte beigeordnet.
In dem Verfahren S 28 AS 1288/11 fand am 15.8.2014 nebst neun weiteren Verfahren der Kläger ein Erörterungstermin (Dauer: 32 Minuten) statt. Die Streitsache S 28 AS 843/11 wurde hier nicht mit verhandelt.
In dem Verfahren S 28 AS 843/11 fand am 12.10.2012 ein Erörterungstermin (Dauer: 42 Minuten) mit einer weiteren – hier nicht näher auszuführenden – Streitsache statt.
Mit Beschl. v. 15.5.2014 wurden die Streitsachen S 28 AS 1288/11 und S 28 AS 843/11 gem. § 113 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens S 28 AS 1288/11 verbunden.
Der beigeordnete Rechtsanwalt erhielt seitens der Landes-/ Staatskasse im Verfahren S 28 AS 1228/11 einen Vorschuss i.H.v. 326,89 EUR und im Verfahren S 28 AS 843/11 (vor Verbindung) einen Vorschuss i.H.v. 524,79 EUR.
In beiden Verfahren hatte der Bevollmächtigte die Kläger bereits in den Widerspruchs-/ Vorverfahren vertreten.
Zur Erledigung der Streitsache S 28 AS 1228/11 und weiteren neun Verfahren schlug das Gericht den Abschluss eines Unterwerfungsvergleichs mit folgendem Inhalt vor:
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Der Beklagte verpflichtet sich in den Streitsachen (S 28 AS 1228/11 und weitere neun Verfahren), über die Höhe der Heizkosten im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechend der Rechtsauffassung des BSG in dem anhängigen Revisionsverfahren B 4 AS 47/14 R nach Veröffentlichung der entsprechenden Entscheidung neu zu entscheiden. |
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Der Beklagte verpflichtet sich, in den unter Nr. 1 genannten Verfahren die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in dem Umfang zu tragen, in dem auf Grundlage der Neubescheidung gem. Nr. 1 nach dem Grundsatz von Obsiegen und Unterliegen festgestellt wird. |
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Die Kläger sind hiermit einverstanden. |
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Die Beteiligten erklären die unter Nr. 1 genannten Streitsachen sowie drei weitere anhängige Streitsachen (…) vollumfänglich für erledigt. |
In Nr. 4 des obigen Vergleichs wurden drei weitere noch anhängige Verfahren der Kläger mit erledigt, ohne dass diese Gegenstand der Unterwerfung in Nr. 1 waren.
Der Unterwerfungsvergleich wurde von den Beteiligten angenommen.
In sämtlichen mit dem Unterwerfungsvergleich erledigten Verfahren wurde sodann u.a. jeweils die Festsetzung einer Terminsgebühr Nr. 3106 VV über 200,00 EUR bzw. 280,00 EUR und einer Einigungsgebühr Nr. 1006 VV über 190,00 EUR bzw. 300,00 EUR (entsprechend § 60 RVG) gegen die Landeskasse beantragt.
Im Verfahren S 28 AS 1228/11 wurde unter Berücksichtigung einer Vorschusszahlung eine Vergütung i.H.v. 631,89 EUR seitens des Bevollmächtigten zur Festsetzung gegen die Landeskasse beantragt:
Verfahrensgebühr, Nrn. 3103, 1008 VV |
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221,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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200,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV |
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190,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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119,98 EUR |
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750,89 EUR |
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abzgl. Vorschuss Landeskasse |
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– 119,00 EUR |
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631,89 EUR |
Die Urkundsbeamtin setzte die Vergütung unter teilweiser Kürzung wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nrn. 3103,1008 VV |
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221,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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