Wie abzurechnen ist, wenn der Rechtsanwalt nur hinsichtlich eines Teils der Gesamtforderung mehrere Auftraggeber hat, war in Rspr. und Lit. bereits zu BRAGO-Zeiten umstritten. Die Rspr. hat weitgehend genau so wie der Rechtspfleger im vom LG Saarbrücken entschiedenen Fall gerechnet.[1] Dem hat das Schrifttum weitgehend zugestimmt.[2]

Die Gegenauffassung rechnet wie das LG Saarbrücken.[3]

Die Auffassung des Rechtspflegers hat den Gesetzeswortlaut für sich.

Zunächst ist zu ermitteln, in welcher Höhe für den Rechtsanwalt für seine Vertretung in dem Rechtsstreit die – nicht erhöhte – Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV angefallen ist. Diese ist hier nach einem Gegenstandswert von 12.405,63 EUR in Höhe von 683,80 EUR entstanden.

Diese Verfahrensgebühr erhöht sich für jede weitere Person um den Satz von 0,3, nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1008 VV jedoch nur nach dem Betrag, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind. Folglich berechnet sich die 0,3-Gebührenerhöhung hier nach einem Gegenstandswert von 4.626,16 EUR, die 90,30 EUR beträgt.

Das LG Saarbrücken rechnet demgegenüber so, als wenn dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zwei Verfahrensgebühren nach unterschiedlichen Gebührensätzen angefallen wären. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Nur dann wäre überhaupt der Gebührenvergleich nach § 15 Abs. 3 RVG vorzunehmen.

Die Schwierigkeiten der Berechnung in Fällen der vorliegenden Art werden jedoch deutlich, wenn man den vom LG Saarbrücken entschiedenen Fall etwas abwandelt:

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wird wieder vom Kläger und dem Drittwiderbeklagten mit der Verteidigung gegen die Widerklage von 4.626,16 EUR beauftragt, diese wird jedoch zurückgenommen, bevor der Rechtsanwalt Tätigkeiten auslöst, die insoweit die volle Verfahrensgebühr anfallen lassen (siehe Nr. 3101 Nr. 1 VV).

Bei dieser Abwandlung entstehen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zwei Verfahrensgebühren mit unterschiedlichen Gebührensätzen, und zwar:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 7.325,37 EUR) 535,60 EUR
2. 0,8 + 0,3 Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101, 1008 VV   
  (Wert: 4.626,16 EUR) 338,10 EUR
Gesamt 873,70 EUR

Bei dieser Fallgestaltung greift die Gebührenbegrenzung nach § 15 Abs. 3 RVG direkt ein, sodass der Rechtsanwalt nur berechnen kann:

 
Praxis-Beispiel
 
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   
(Wert: 12.405,53 EUR) 683,80 EUR

Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch hinsichtlich der Abwehr der Widerklage nur einen Auftraggeber, so wäre wie folgt zu rechnen:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 7.325,37 EUR) 535,60 EUR
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 3101 VV   
  (Wert: 4.626,16 EUR) 240,80 EUR
Gesamt 776,40 EUR

gem. § 15 Abs. 3 RVG jedoch nicht mehr als eine 1,3-Verfahrensgebühr (Wert: 12.405,63 EUR) mit 683,80 EUR, die hier die Obergrenze bilden.

Infolge der Gebührenkürzung nach § 15 Abs. 3 RVG macht es somit gebührenrechtlich keinen Unterschied, ob der Anwalt hinsichtlich der Widerklageforderung nur einen oder zwei Auftraggeber hat. Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV fällt somit praktisch unter den Tisch.

VRiLG Heinz Hansens, Berlin

[1] Etwa OLG Düsseldorf JurBüro 1990, 601; OLG Hamburg JurBüro 2001, 27; OLG Köln JurBüro 1987, 692; OLG München JurBüro 1998, 589 = AnwBl 1998, 665 = AGS 1999, 19; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 189; OLG Schleswig JurBüro 1994, 26; OVG Berlin-Brandenburg AGS 2006, 166 mit abl. Anm. N. Schneider.
[2] So Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Nr. 1008 VV Rn 204; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 6 BRAGO Rn 8; Enders, JurBüro 2005, 409; E. Schneider, Rpfleger 1982, 370, 371.
[3] So etwa AG Augsburg AGS 2008, 343 mit Anm. N. Schneider; LG Bonn AGS 1998, 115; OLG Hamburg MDR 1978, 767; AnwK-RVG/Schnapp, 5. Aufl., Nr. 1008 VV Rn 49; Lappe, Rpfleger 1981, 94; N. Schneider, MDR 1998, 1439; Hergenröder, AGS 2007, 53, 55; Engels, MDR 2001, 355.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?