Entscheidend für die Abrechnung ist der erteilte Auftrag.
Wird dem Anwalt uneingeschränkt der Auftrag erteilt, Rechtsmittel einzulegen und erst hiernach ggf. zu prüfen, ob das Rechtsmittel in vollem Umfang durchgeführt werden solle, dann liegt nur eine einzige Angelegenheit vor, so dass der Anwalt nur die Vergütung im Rechtsmittelverfahren abrechnen kann. Der Gegenstandswert beläuft sich auf diesem Fall auf den vollen Wert der Beschwer (§ 23 Abs. 1 S. 1, 3 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 RVG, § 40 Abs. 2 FamGKG).
Wird dem Anwalt dagegen der Auftrag erteilt, zunächst zu prüfen, ob das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat, und erhält er erst hiernach den Auftrag, das Rechtsmittel dann im Rahmen der Erfolgsprognose durchzuführen, liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor. Gleiches gilt, wenn der Anwalt von vornherein einen sog. "Kombi-Auftrag" erhält, also wenn ihm primär der Auftrag erteilt wird, zu prüfen, ob ein Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg habe, und er sogleich den (bedingten) Auftrag erhält, im Rahmen der Erfolgsprognose das Rechtsmittel dann auch einzulegen und durchzuführen. In diesem Fall liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor. Der Anwalt erhält zunächst den Auftrag zu einer Prüfungstätigkeit, die nach Nr. 2100 VV abzurechnen ist. Gegenstandswert der Prüfungstätigkeit ist dann wiederum der volle Wert der Beschwer (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 RVG, § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG). Kommt es hiernach dann zur Durchführung des – ggf. eingeschränkten – Rechtsmittels, dann erhält der Anwalt eine weitere Vergütung für das Rechtsmittelverfahren aus dem ermäßigten Wert (§ 23 Abs. 1 S. 1, 3 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG, § 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG), wobei er sich die Prüfungsgebühr anrechnen lassen muss.
Wie der Auftrag erteilt worden ist, ist im Einzelfall festzustellen und herauszuarbeiten.
War der Anwalt bereits in der Vorinstanz tätig, wird man in der Regel davon ausgehen, dass er zunächst einen Prüfungsauftrag hat und hiernach dann das Rechtsmittelverfahren im Rahmen der Erfolgsprognose durchführen soll.
War der Anwalt vorinstanzlich nicht tätig, wird in der Regel sogleich ein Auftrag zur Einlegung des unbeschränkten Rechtsmittels anzunehmen sein, da der Anwalt mangels Kenntnis des Vorprozesses in der Regel eine Prüfung innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht mehr vornehmen kann. Dies wird insbesondere bei BGH-Anwälten zutreffen, die Einsicht in die Prozessakten in aller Regel erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erhalten.
I. Auftrag zur Prüfung und zur anschließenden Einlegung des Rechtsmittels im Rahmen der Erfolgsprognose
Der Anwalt erhält in diesen Fällen zunächst eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV, und zwar aus dem vollen Wert der Beschwer (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 RVG, § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG), da er umfassend prüfen soll.
Da der anschließende Auftrag zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens beschränkt ist, gilt insoweit der geringere Wert des durchzuführenden Rechtsmittels (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 2 RVG, § 40 Abs. 1 S. 2 FamGKG).
Eine Anrechnung der Prüfungsgebühr kommt selbstverständlich auch nur nach dem Wert in Betracht, nach dem das Rechtsmittelverfahren dann auch durchgeführt wird.
Beispiel
Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung von 20.000,00 EUR will der Beklagte Berufung einlegen und lässt sich beraten, ob die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Der beauftragte Anwalt prüft dies und bejaht die Erfolgsaussichten i.H.v. 10.000,00 EUR. In dieser Höhe wird ihm der Auftrag zur Berufung erteilt und diese auch durchgeführt.
I. Prüfung der Erfolgsaussicht
1. |
0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV |
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556,50 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
576,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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109,54 EUR |
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Gesamt |
686,04 EUR |
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II. Rechtsmittelverfahren
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
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892,80 EUR |
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(Wert. 10.000,00 EUR) |
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2. |
gem. Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen |
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– 418,50 EUR |
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0,75 aus 10.000,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV |
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(Wert. 10.000,00 EUR) |
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669,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.163,90 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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221,14 EUR |
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Gesamt |
1.385,04 EUR |
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II. Nachträgliche Beschränkung eines zunächst unbeschränkt erteilten Auftrags zur Einlegung des Rechtsmittels
Wird nachträglich der Auftrag zur Durchführung des Rechtsmittels beschränkt, ändert dies bei der Verfahrensgebühr nichts mehr. Diese ist mit Einlegung in voller Höhe aus dem vollen Gegenstandswert angefallen.
Lediglich die weiteren Gebühren, etwa Terminsgebühr oder Einigungsgebühr, die erst nach Rechtsmittelbegründung anfallen, entstehen aus dem geringeren Wert.
Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung i.H.v. 20.000,00 EUR will der Beklagte Berufung einlegen und beauftragt hiermit seinen Anwalt. Der beauftragte Anwalt legt das Rechtsmittel ein. Nach Prüfung der Rechtslage bejaht die Erfolgsaussichten nur i.H.v. 10.000,00 EUR, so dass die Berufung auch nur insoweit b...