ZPO §§ 91, 227 RVG VV Nrn. 7003–7005
Leitsatz
Wird ein Unterbevollmächtigter zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins vom auswärtigen Hauptbevollmächtigten beauftragt, sind dessen fiktive Reisekosten auch dann erstattungsfähig, wenn der Termin nach Erteilung des Auftrags ersatzlos entfällt. Maßgeblich sind allein die Erkenntnismöglichkeiten bei Erteilung des Mandats.
OLG Koblenz, Beschl. v. 21.5.2012 – 14 W 262/12
1 Aus den Gründen
Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat einen – freilich nur verhältnismäßig geringen – Teilerfolg. Im Übrigen scheitert es.
Die streitigen Kosten der zur Prozessvertretung herangezogenen unterbevollmächtigten Rechtsanwälte der Klägerin sind in Höhe der fiktiven Reisekosten der Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig (BGH NJW 2006, 3008). Das betrifft einen Betrag von 197,60 EUR (gem. Nr. 7003 VV, 2 x 271 km x 0,30 EUR/km sowie gem. Nr. 7005 VV 35,00 EUR). Die Umsatzsteuer bleibt außer Betracht (§ 104 Abs. 2 S. 3 ZPO).
Dass für die Hauptbevollmächtigten im vorliegenden Fall tatsächlich keine Reisekosten entstanden wären, weil der Rechtsstreit ohne eine mündliche Verhandlung abgeschlossen werden konnte, fällt nicht in den Risikobereich der Klägerin und kann sich daher nicht zu ihren Ungunsten auswirken (OLG Celle OLGR 13/2012 Anm. 7; OLG Nürnberg OLGR 2008, 700; OLGR Schleswig 2003, 175): Denn das LG hatte am 13.10.2011 Termin auf den 22.12.2011 bestimmt, und im Hinblick darauf waren die Unterbevollmächtigten mit Schreiben vom 8.12.2011 gebührenträchtig mandatiert worden. Erst danach traten Umstände ein, die den Termin entbehrlich machten und zu seiner Absetzung führten.
Mitgeteilt von RiOLG Ernst Weller, Koblenz
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Eine Partei und ihr Prozessbevollmächtigter können nicht endlos abwarten, bis sie einen Terminsvertreter beauftragen. Der Terminsvertreter braucht eine gewisse Einarbeitungs- und Vorbereitungszeit. Insbesondere besteht die Gefahr, bei einer kurzfristigen Beauftragung eines Terminsvertreters einen solchen wegen Terminskollision nicht mehr zu finden. Daher muss eine Terminsvertretung frühzeitig abgesprochen werden.
Allerdings ist es in der Regel nicht erforderlich, unmittelbar mit Erhalt der Ladung einen Terminsvertreter zu beauftragen, da erfahrungsgemäß zwischen Terminsanberaumung und -durchführung noch eine Erledigung des Rechtsstreits z.B. durch Vergleich eintreten kann.
Eine absolute Frist wird man hier nicht annehmen können. Es wird auf den Einzelfall ankommen. Je einfacher die Sache ist, desto weniger Vorlaufzeit benötigt der Terminsvertreter.
War danach aber eine Partei berechtigt, einen Terminsvertreter vor Ort mit der Wahrnehmung eines Termins zu beauftragen, so sind dessen Kosten auch dann erstattungsfähig, wenn es zur Durchführung des Termins später nicht mehr kommt.
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass dann für den Terminsvertreter auch nur eine geringere Vergütung anfällt. Gemäß Nr. 3405 Nr. 2 VV ermäßigt sich die Verfahrensgebühr Nr. 3401 auf 0,5, soweit sich der Auftrag des Terminsvertreters erledigt, bevor er einen Termin wahrgenommen hat.
Beispiel
In einem Rechtsstreit über 4.000,00 EUR wird zwei Wochen vor dem Termin ein Terminsvertreter beauftragt. Hiernach erledigt sich die Sache. Der Termin wird aufgehoben.
Der Terminsvertreter erhält jetzt lediglich die Verfahrensgebühr der Nr. 3401 VV in Höhe von 0,5 (Nr. 3405 Nr. 2 VV) zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer.
1. |
0,5-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3405 Nr. 2 VV |
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122,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
142,50 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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27,08 EUR |
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Gesamt |
169,58 EUR |
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Auch hier gilt hinsichtlich der Kostenerstattung, dass diese Kosten nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erstattungsfähig sind. Die Kosten des Terminsvertreters dürfen also nicht höher liegen als die Reisekosten des Hauptbevollmächtigten, wenn der Termin stattgefunden und dieser an dem Termin teilgenommen hätte.
Norbert Schneider