Leitsatz
- Die Höhe des Streitwertes hängt auch bei mehreren betroffenen Fahrzeugen vom wirtschaftlichen Interesse für den Antragsteller ab, so dass bei einer Vielzahl von Fahrzeugen der Streitwert zu begrenzen ist.
- Im Falle eines angeordneten Sofortvollzugs ist der Streitwert im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht zu reduzieren.
VG Sigmaringen, Beschl. v. 1.9.2015 – 5 K 2765/15
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts, mit dem sie unter Anordnung des Sofortvollzugs u.a. verpflichtet wurde, für 32 auf sie zugelassene Pkw für die Dauer von einem Jahr ein Fahrtenbuch zu führen. Das VG hat dem Antrag stattgegeben und den Verfahrenswert auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Das Gericht folgt zwar im Interesse der Einheitlichkeit der Rspr. der durchgängigen Auffassung, dass im Regelfall für die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, als Streitwert ein Betrag von 400,00 EUR je Monat der Geltungsdauer angemessen ist, wie ihn der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Nr. 46.11 nennt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der betreffenden Verpflichtung, ein Fahrtenbuch für 32 Fahrzeuge zu führen, ein besonderes wirtschaftliches Interesse beizumessen ist, hält es das Gericht jedoch für unbillig, einen höheren Streitwert als 15.000,00 EUR anzunehmen. Nach Nr. 54.2.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist für eine Gewerbeuntersagung ein Streitwert von mindestens 15.000,00 EUR anzusetzen. Das Interesse, kein Fahrtenbuch für – mehrere – Betriebsfahrzeuge führen zu müssen, kann nicht höher bewertet werden als das Interesse an der Fortführung eines ganzen Betriebes. Daher ist das Gericht auch nicht der Streitwertbildung durch "Mengenrabatt" gefolgt (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschl. v. 26.10.2001 – 11 ZS 01.2008). Wegen der aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs anzunehmenden Vorwegnahme der Hauptsache ist der ermittelte Wert nicht zu halbieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.2.2009 – 10 S 3350/08, juris).
3 Anmerkung
Nach dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 46.11) ist bei einer Fahrtenbuchauflage grundsätzlich ein Betrag in Höhe von 400,00 EUR je Monat anzusetzen.
I. Ermäßigung bei längeren Zeiträumen?
Kontrovers behandelt wird dagegen die Frage, wie es sich bei längeren Zeiträumen verhält.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, es müsste ein "Mengenrabatt" gewährt werden. Begründet wird dies damit, dass eine Orientierung am Schema des Streitwertkatalogs nicht mehr dem objektiven Interesse (§ 52 Abs. 1 GKG) eines Klägers/Antragstellers an der Bedeutung der Fahrtenbuchauflage gerecht werde. Die schematische Anwendung des Streitwertkatalogs würde dazu führen, dass die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage den mehrfachen "Wert" des Interesses an der Erhaltung der Fahrerlaubnis erreichen könnte. Die Bedeutung einer Fahrerlaubnis sei jedoch im Ansatz höher zu bewerten als die Verpflichtung, für eine bestimmte Zeit ein Fahrtenbuch zu führen. Daher sei von der schematischen Bemessung des Streitwerts nach der angeordneten Dauer der Fahrtenbuchauflage abzuweichen, wenn der so errechnete Streitwert den Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG deutlich überschritten würde. Andererseits könne aber auch die für eine lange Zeit angeordnete Dauer einer Fahrtenbuchauflage nicht außer Betracht bleiben, weil diesem Gesichtspunkt für einen Kläger/Antragsteller objektiv erhebliche Bedeutung zukomme. Insgesamt erscheine es daher sachgerecht, bei der Bemessung des Streitwerts einer Fahrtenbuchauflage bei einer angeordneten Dauer der Auflage von mehr als einem Jahr das erste Jahr wie im Streitwertkatalog vorgesehen mit 400,00 EUR pro Monat, aber jedes weitere Jahr der Dauer einer Fahrtenbuchauflage nur noch mit jeweils 1.000,00 EUR streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Das würde dann zu folgender Staffelung führen:
1 Jahr: 12 x 400,00 EUR |
4.800,00 EUR |
2 Jahre: 4.800,00 EUR + 1.000,00 EUR |
5.800,00 EUR |
3 Jahre: 4.800,00 EUR + 1.000,00 EUR + |
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1.000,00 EUR |
6.800,00 EUR |
… |
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Die ganz überwiegende Rspr. lehnt eine solche Staffelung jedoch ab. Die Regelung im Streitwertkatalog ist eindeutig und differenziert nicht nach der Dauer der Fahrtenbuchauflage. Eine solche Differenzierung ist auch nicht sachgerecht. Geht die Fahrtenbuchauflage über ein Jahr hinaus, ergibt sich keine geringere Beeinträchtigung. Das Fahrtenbuch muss die ganze Dauer über geführt werden. Jede Fahrt muss eingetragen werden. Daran ändert die Dauer nichts. Das Einzige, was der Betroffene spart, ist gegebenenfalls die "Neuanlage" des Fahrtenbuchs, die aber nicht spürbar ins Gewicht fällt.
II. Mengenrabatt
Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass bei der Verhängung eines Fahrtenbuchs für mehrere Fahrzeuge, also für eine "Fahrzeugflotte" ein Mengenrabatt vorzunehmen sei. Begründet wird dies damit, dass hier ein Synergieeffekt eintrete, der zu einer geringeren Beeinträchtigung des Betroffenen führe. Die Vertreter dieser Au...