Leitsatz
- Bezugsgröße der Berechnung der "fiktiven" Terminsgebühr gem. Satz 2 der Anm. zu Nr. 3106 VV ist die konkrete Verfahrensgebühr, die genau dem Rechtsanwalt zusteht, der die "fiktive" Terminsgebühr für sich in Anspruch nimmt.
- Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt infolge der Aufhebung der Beiordnung eines früheren Bevollmächtigten erst in einem späten Zeitpunkt in das Verfahren eintritt und daher die ihm am Maßstab des § 14 RVG zustehende Verfahrensgebühr von vornherein nicht den Umfang des gesamten Verfahrens abbildet.
SG Fulda, Beschl. v. 2.12.2015 – S 4 SF 24/15 E
1 Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer dem Erinnerungsführer zu zahlenden fiktiven Terminsgebühr.
Im dem zugrunde liegenden Ausgangsverfahren wurde der dortige Kläger zunächst durch Rechtsanwalt B. vertreten, der dem Kläger durch Beschluss der Kammervorsitzenden vom 27.1.2014 unter gleichzeitiger Gewährung von Prozesskostenhilfe als Bevollmächtigter beigeordnet worden war. Aufgrund einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt B. wurde dessen Beiordnung mit Beschluss der Kammervorsitzenden vom 10.3.2014 aufgehoben und mit weiterem Beschluss vom selben Tage der Erinnerungsführer als neuer Bevollmächtigter mit Wirkung ab dem 4.3.2014 beigeordnet.
Nachdem das Verfahren durch Urt. v. 24.2.2015 unter Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung beendet worden war, machte der Erinnerungsführer seine Vergütung wie folgt geltend:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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300,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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280,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
600,00 EUR |
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19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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114,00 EUR |
Gesamt |
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714,00 EUR |
Demgegenüber setzte der Kostenbeamte die Vergütung lediglich wie folgt fest:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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200,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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180,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
400,00 EUR |
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19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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76,00 EUR |
Gesamt |
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476,00 EUR |
Zur Begründung führte er aus, dass angesichts des beschränkten Beiordnungszeitraums eine mittlere Verfahrensgebühr als unbillig anzusehen sei. Vielmehr sei eine unterhalb der Mittelgebühr anzusiedelnde Verfahrensgebühr von 200,00 EUR ausreichend und angemessen. Daraus ergebe sich sodann die fiktive Terminsgebühr in Höhe von 90 % dieser festzusetzenden Gebühr.
Hiergegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seiner Erinnerung und führt aus, dass mit der Verfahrensgebühr von 200,00 EUR zwar Einverständnis bestehe; allerdings sei bei der Bestimmung der Bezugsgröße zur Errechnung der fiktiven Terminsgebühr gem. Nr. 3106 VV auf die im "Normalfall" anzusetzende Verfahrensgebühr abzustellen, hier also der Mittelgebühr von 300,00 EUR. Käme man nämlich zu dem Ergebnis, dass im Falle der Beiordnung eines zweiten Anwalts da keine Verfahrensgebühr mehr entstehe, entfiele auch die Terminsgebühr in vollem Umfang. Dies könne bei Einführung von Nr. 3106 S. 2 VV nicht gewollt gewesen sein. Vielmehr sei dann ein Anwalt gezwungen, eine mündliche Verhandlung anzustreben, um eine reguläre Terminsgebühr zu verdienen.
Der Erinnerungsgegner ist der Auffassung, dass der Erinnerungsführer mit der festgesetzten Verfahrensgebühr von 200,00 EUR einverstanden gewesen sei. Die pauschale Gebührenbestimmung der Terminsgebühr in Bezug auf die Verfahrensgebühr sei zwingend, so dass hiervon nicht abgewichen werden könne.
2 Aus den Gründen
Die Festsetzung der hier allein streitigen fiktiven Terminsgebühr ist zutreffend erfolgt.
1. Streitentscheidend ist hier, in Bezug auf welchen Betrag die nach S. 2 der Anm. zu Nr. 3106 VV zu bestimmende fiktive Terminsgebühr berechnet werden muss. Dieser lautet (auch) für den Fall einer fiktiven Terminsgebühr wegen des Verzichts auf mündliche Verhandlung:
"In den Fällen des Satzes 1 beträgt die Gebühr 90 % der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nummer 1008."
a) Die Auffassung des Erinnerungsführers geht dahin, dass in einem Fall wie hier, in dem ein Rechtsanwalt nach Entbindung eines anderen als zweiter beigeordnet wird, sich zwangsläufig eine niedrigere Gebühr ergebe, die pauschale Berechnung gem. des vorzitierten Normtextes jedoch auf der Erwägung beruhe, die Terminsgebühr gerade in Bezug auf die herkömmlich und regelmäßig anfallende Verfahrensgebühr zu bestimmen. Dies greift trotz der beachtenswerten Argumentation im Ergebnis nicht durch.
b) Dem steht bereits der Wortlaut der Vorschrift entgegen. Denn die Berechnung des 90 %igen Betrages bezieht sich auf die "in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr", nicht eine solche durchschnittlicher oder abstrakter Größe oder die generell in dem Verfahren (insgesamt) anfallende Verfahrensgebühr. Vielmehr kommt es auf die "dem Rechtsanwalt" in "derselben Angelegenheit" konkrete zustehende Gebühr an; "dem Rechtsanwalt" kann dabei nur denjenigen meinen, der die Terminsgebühr in Abh...