1. Zur Gebührenerhöhung
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, die jeweils ein eigenes Erbrecht oder Pflichtteilsrecht geltend machen, liegen verschiedene Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit zugrunde, sodass eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV ausgeschlossen ist. Stattdessen werden die Werte der einzelnen Erb- oder Pflichtteilsrechte nach § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG bzw. § 22 RVG zusammengerechnet.
2. Pflicht zur Einzelabrechnung
Bei Vertretung mehrerer Auftraggeber reicht es nicht aus, dass der Anwalt eine Gesamtrechnung erstellt. Er hat vielmehr jedem Auftraggeber eine gesonderte Rechnung zu erteilen. Dabei muss er berücksichtigen, dass jeder Auftraggeber nach § 7 Abs. 2 RVG nur in der Höhe haftet, in der er haften würde, wenn er den Auftrag alleine erteilt hätte.
Dass wiederum führt dazu, dass die Summe der beiden Einzelhaftungen höher liegt als der Gesamtbetrag, den der Anwalt fordern kann. Der Anwalt muss also sicherstellen, dass er durch die Einzelrechnungen nicht zuviel verlangt. Abgesehen davon muss er für seine Buchführung darauf achten, dass er keine höheren Rechnungen fakturiert, als später Zahlungen eingehen. Um nachträgliche Stornierungen zu vermeiden, ist es zweckmäßig, den Betrag von vornherein zu verteilen, auf den die Auftraggeber gesamtschuldnerisch haften, und sich dann in einem Anschreiben vorzubehalten nachzufordern, wenn der jeweils andere Auftraggeber seinen Anteil nicht bezahlt.
Dazu ein praktisches Abrechnungsbeispiel:
Beispiel
Nach dem Tod des Erblassers beantragt die Ehefrau die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin. Der Anwalt wird von den beiden Kindern A und B beauftragt, dem entgegenzutreten und stattdessen für A und B einen Erbschein jeweils zu ½ zu beantragen. Das Nachlassgericht setzt den Wert des Verfahrens entsprechend dem Wert des Nachlasses auf 80.000,00 EUR fest.
Unzutreffend wäre es, eine erhöhte Verfahrensgebühr abzurechnen, also wie folgt:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrr. 3100, 1008 VV (Wert: 80.000,00 EUR) |
1.920,00 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 80.000,00 EUR) |
1.440,00 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
3.380,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
642,20 EUR |
|
Gesamt |
4.022,20 EUR |
Da verschiedene Gegenstände zugrunde liegen, darf nur eine einfache Gebühr aus dem Gesamtwert abgerechnet werden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 80.000,00 EUR) |
1.560,00 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 80.000,00 EUR) |
1.440,00 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
3.020,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
573,80 EUR |
|
Gesamt |
3.593,80 EUR |
Damit ist aber noch nicht geklärt, was jeder einzelne zahlen muss. Insoweit gilt § 7 Abs. 2 RVG, jeder Auftraggeber schuldet die Vergütung insoweit, als er haften würde, wenn er den Auftrag allein erteilt hätte. Das ergibt folgende Abrechnungen:
I. Abrechnung gegenüber A
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.172,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.082,40 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.275,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
432,50 EUR |
|
Gesamt |
2.707,25 EUR |
II. Abrechnung gegenüber B
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
|
1.172,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
|
1.082,40 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
2.275,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
432,50 EUR |
|
Gesamt |
|
2.707,25 EUR |
Zu beachten ist, dass der Anwalt aber nicht beide Rechnungsbeträge verlangen kann, sondern insgesamt nur 3.593,80 EUR.
Um die Vergütung nicht doppelt zu buchen, ist es zweckmäßig, in Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung jeden Auftraggeber nur anteilig in Anspruch zu nehmen, allerdings unter Hinweis darauf, dass eine Nachliquidation vorbehalten bleibt, falls der andere seinen Anteil nicht zahlt.
Um diesen gesamtschuldnerischen hälftigen Anteil zu berechnen, sind die Nettobeträge zusammenzurechnen. Davon ist der Nettobetrag der Gesamtabrechnung abzuziehen. Der Differenzbetrag ist durch zwei zu teilen und dann hälftig einem jeden gutzuschreiben.
Haftung A (netto) |
2.275,00 EUR |
Haftung B (netto) |
2.275,00 EUR |
Gesamthaftung |
-3.020,00 EUR |
Zwischensumme |
-1.530,00 EUR |
hiervon ½ |
-765,00 EUR |
Dies ergibt dann folgende Einzelrechnungen:
I. Rechnung an A
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.172,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.082,40 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
4. |
./. anteilige Mithaftung B |
-765,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.510,00 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
286,90 EUR |
|
Gesamt |
1.796,90 EUR |
II. Rechnung an B
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.172,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 40.000,00 EUR) |
1.082,40 EUR |
3. |
Post- und Telekommunikations... |