Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG zulässig, aber nur teilweise begründet.

1. Die Streitfrage, ob bei der Protokollierung eines Vergleichs in einem Beschwerdeverfahren für die Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche grundsätzlich – nur – eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3500 VV zum RVG in Höhe von 0,5 (so Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, 22. Aufl., VV 3500 Rn 16; Schneider, in: AnwK-RVG, 7. Aufl., VV 3500 Rn 36, 40 und in: Praxis des Vergütungsrechts, 2. Aufl., Teil 8 Rn 573) oder eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 [bzw. 3201] VV in Höhe von 0,8 [1,1] (so Schütz, in: Riedel/Sußbauer, 10. Aufl., VV 3500, 3501 Rn 10) anfällt, entscheidet der Senat nicht.

2. Hier liegt nämlich ein Sonderfall vor, weil der 6. (Wettbewerbs-)Senat nicht nur mit dem Beschwerdeverfahren, sondern auch mit den beiden Berufungsverfahren befasst war und in allen drei Verfahren gleichzeitig eine mündliche Verhandlung anberaumt und durchgeführt hatte. Außerdem bezog sich der Vergleich einheitlich auf alle Verfahren. Ob dem Senat bewusst war, dass bei einer "Protokollierung" (Feststellung eines Vergleichsabschlusses gem. § 278 Abs. 6 ZPO) in dem Beschwerdeverfahren einerseits oder bei einer solchen in einem der beiden Berufungsverfahren andererseits möglicherweise unterschiedliche Rechtsanwaltsgebühren entstehen könnten, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Dazu haben auch die Parteien im Kostenfestsetzungsverfahren nichts vorgetragen. Nach Aktenlage liegt die Vermutung nahe, dass der Vergleich eher "zufällig" in dem Beschwerdeverfahren protokolliert worden ist, weil dieses zeitlich zuerst terminiert worden war und auch die mündlichen Verhandlungen offenbar in dieser Reihenfolge durchgeführt worden sind, wie sich aus den Protokollen ergibt.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt es deshalb für die Frage, welcher Gebührentatbestand hinsichtlich der nicht rechtshängigen Ansprüche in Betracht kommt, soweit es nicht um die Einigungsgebühren, sondern die "Verfahrensgebühren" geht, auf die Sachnähe zu dem jeweiligen Verfahren (Beschwerde- oder Berufungsverfahren) an. Hier betrafen die nicht rechtshängigen Ansprüche den betragsmäßig konkretisierten Schadensersatz, der bereits – als noch nicht bestimmt feststehender und zukünftiger Schaden – ausdrücklich Gegenstand des Berufungsverfahrens war (Antrag zu 3.) und von dem Ergebnis des gleichzeitig gestellten Auskunftsantrags abhing. Ob es sich insoweit überhaupt um noch nicht rechtshängige Ansprüche handelte, wie der 6. Senat angenommen hat, kann dahinstehen. Jedenfalls hing die Frage, ob überhaupt und vor allem in welcher Höhe Schadensersatzansprüche der Gläubigerin bestanden, sowohl dem Grunde wie der Höhe nach von dem – mutmaßlichen – Ausgang des Rechtsstreits 31 O 188/11 LG Köln = 6 U 220/11 OLG Köln ab. Dieser Rechtsstreit war aber – ebenso wie das Beschwerdeverfahren – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Vergleichsüberlegungen. Der Senat hatte im Sinne einer Gesamtlösung auch bereits einen bestimmten Betrag vorgeschlagen.

Die offensichtliche Nähe zu dem Klage- und Berufungsverfahren führt nach Auffassung des Senats dazu, dass hier eine Fallgestaltung vorliegt, die unter Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 2 VV zu subsumieren ist. Die Parteien haben – zumindest auch – im Rahmen der Berufungsverhandlungen, für die Gebühren gem. Nr. 3200 VV entstanden sind, "Verhandlungen vor Gericht … über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt", die – wenn auch nach Widerruf und weiteren Verhandlungen – "zur Einigung der Parteien" und zur Feststellung einer Einigung gem. 278 Abs. 6 ZPO geführt haben. Damit ist eine Gebühr in Höhe von 1,1 nach einem Gegenstandswert von 390.000,00 EUR angefallen, die – es gilt im Hinblick auf § 60 RVG die "alte" Gebührentabelle – 2.906,20 EUR beträgt.

3. Zu Recht beanstandet die Schuldnerin jedoch eine fehlerhafte Anwendung von § 15 Abs. 3 RVG und Nr. 3201 Abs. 1 S. 2 VV.

Gegenstand des Vergleichs waren die drei anhängigen Verfahren 6 W 148/11 (Wert: 45.000,00 EUR), 6 U 220/11 (Wert: 200.000,00 EUR) und 6 U 225/11 (Wert: 10.000,00 EUR) sowie nicht rechtshängige Ansprüche (Wert: 390.000,00 EUR). Der Gesamtbetrag der Wertteile betrug 645.000,00 EUR. An Verfahrensgebühren sind entstanden:

 
Praxis-Beispiel
 
VV-Nr. Bezeichnung Höhe Streitwert Betrag
6 W 148/11 3500 Verfahrensgebühr 0,5 45.000,00  487,00 
6 U 220/11 3200 Verfahrensgebühr 1,6 200.000,00  2.905,60 
6 U 225/11 3200 Verfahrensgebühr 1,6 10.000,00  777,60 
4.170,20 

Der höchste Gebührensatz von 1,6 nach einem Gesamtwert von 645.000 EUR führt zu einer Gebühr von 5.513,60 EUR. Abzüglich der bereits für die 3 anhängigen Verfahren angefallenen Gebühren von insgesamt 4.170,20 EUR bleibt für die nicht rechtshängigen Ansprüche noch ein Betrag in Höhe von 1.343,40 EUR übrig. Dies stellt unter Berücksichtigung von § 15 Abs. 3 RVG die Obergrenze dar, die die Gläubigerin gem. Nrn. 3201, 3200 VV als Verfahrensdifferenzgebühr für die vergleichsweise Eini...

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