Die zulässige Klage ist begründet.
I. Der Kostenfestsetzungsbescheid ist dahingehend abzuändern, dass keine halbe Geschäftsgebühr anzurechnen ist.
Gem. § 77 Abs. 1 EStG hat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten sind zu erstatten, da dessen Hinzuziehung gem. § 77 Abs. 2 EStG für notwendig erachtet wurde.
Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gem. § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (VV). Gem. §§ 13, 14 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr EUR 58,50. Hinzu kommt die Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 VV) in Höhe von EUR 11,70 sowie die Umsatzsteuer, so dass sich insgesamt ein Betrag in Höhe von EUR 83,54 ergibt.
Auf diese Geschäftsgebühr ist keine hälftige Geschäftsgebühr anzurechnen. Soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist, wird diese Gebühr zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren, das der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dient, angerechnet (Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV). Gem. § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung aber nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Der Klägervertreter war hier sowohl im Einspruchsverfahren als auch im vorangegangenen Verwaltungsverfahren tätig, so dass eine Anrechnung in Betracht käme. Diese scheitert jedoch daran, dass keiner der Tatbestände des § 15a Abs. 2 RVG erfüllt ist.
Der gegenteiligen Auffassung, dass § 15a RVG in Fällen wie diesem keine Anwendung findet, wird nicht gefolgt (SG Gießen, Urt. v. 12.12.2014 – S 29 AS 460/14). Nach dieser Ansicht hat eine Anrechnung zu erfolgen, da nur die notwendigen Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens zu erstatten sind. Da der Kläger seinem Rechtsanwalt jedoch nur die gekürzte Gebühr schulde, sei eine volle Kostenerstattung von § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X (hier: § 77 Abs. 1 EStG) nicht umfasst. Diese Ansicht übersieht jedoch, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten stets erstattungsfähig sind (Gräber, FGO-Kommentar, 8. Aufl., § 139 Rn 4). Damit wird der Umfang der notwendigen Kosten zunächst durch die jeweilige Gebührenordnung bestimmt. Diese sieht hier eine Anrechnung nicht vor. Die Auslegung, dass hier eine Anrechnung nicht erfolgen kann, entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Gesetzesbegründung zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks 17/11471, S. 273) führt die Umstellung auf eine Anrechnungslösung dazu, dass § 15a RVG Anwendung findet. Die Behörde wird sich als erstattungspflichtiger Dritter grundsätzlich nicht auf die Anrechnung nach der Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV berufen können, weil sie regelmäßig die im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren entstandene Geschäftsgebühr nicht zu erstatten hat (so auch Gerold/ Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2300 VV Rn 4 und SG Dresden, Urt. v. 8.12.2015 – S 38 AS 6152/14).
Soweit die Beklagte eine Entscheidung des Sächsischen FG anführt (Beschl. v. 6.3.2015 – 4 Ko 302/15), ist diese hier nicht einschlägig, denn dort war die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr streitig. Auf die Anrechnung bei der Verfahrensgebühr kann sich die Behörde jedoch bereits deshalb berufen, weil im gerichtlichen Verfahren beide Gebühren – die Geschäftsgebühr und die Verfahrensgebühr – in demselben Verfahren gegen sie geltend gemacht werden, so dass sie sich gem. § 15a Abs. 2 RVG auf die Anrechnung berufen kann.