Leitsatz
- Wird mit einem PKH-Antrag unbedingte Klage erhoben, sind die Beklagten nicht verpflichtet, den Auftrag zur Rechtsverteidigung auf das Prozesskostenhilfeverfahren zu beschränken.
- Ist die Verfahrens- und die Erhöhungsgebühr für den Beklagtenvertreter entstanden, entfällt die Erhöhungsgebühr nicht dadurch, dass einer von zwei Beklagten noch vor der Zustellung der Klage verstirbt.
- Hat der Erblasser die vorgerichtliche Geschäftsgebühr des Rechtsanwaltes gezahlt, ist der alleinerbende Dritte (hier die Klägerin) i.S.d. § 15a RVG so zu behandeln, als stamme die Zahlung von ihm.
OLG Koblenz, Beschl. 24.6.2016 – 14 W 323/16
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte am 31.12.2012 gegen die Beklagte zu 1) und den am 21.5.2013 verstorbenen Beklagten zu 2) unbedingt Klage erhoben, verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag. Darauf bestellte sich der jetzige Bevollmächtigte der Beklagten für beide Beklagten am 29.1.2013 und nahm zum Prozesskostenhilfeantrag Stellung. Der Klägerin wurde mit Beschluss des LG zunächst die begehrte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage versagt. Nachdem die Klägerin mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde weiter vorgetragen hatte, wurde ihr am 7.7.2013 im Wege der Abhilfe Prozesskostenhilfe gewährt, die Klage dann am 9.7.2013 formell zugestellt.
Alleinerbin nach dem Beklagten zu 2) ist die Klägerin. Der Beklagte zu 2) hatte am 18.11.2009 einen Vorschuss auf die vorgerichtliche Geschäftsgebühr von 2.146,50 EUR netto an den Bevollmächtigten der Beklagten gezahlt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag hat die Beklagte zu 1) u.a. die Festsetzung einer 0,3 Erhöhungsgebühr von 429,30 EUR netto beantragt, zugleich unter Berufung auf § 15a Abs. 2 RVG auf eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr verzichtet. Dagegen wendet sich die Klägerin. Der Beklagte zu 2) sei noch vor der Zustellung der Klage verstorben, weshalb keine Erhöhungsgebühr angefallen sei. Im Übrigen sei die gezahlte Geschäftsgebühr anzurechnen.
Das LG hat die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten mit dem angefochtenen Beschluss antragsgemäß auf 4.571,98 EUR festgesetzt und die Einwände der Klägerin zurückgewiesen. Die Erhöhungsgebühr sei schon vor dem Tod des ehemaligen Beklagten zu 2) entstanden. Die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG lägen nicht vor, so dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht in Betracht komme.
Dagegen wendet sich die Klägerin unter Weiterverfolgung ihrer Einwendungen mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Erhöhungsgebühr sei in der Person der Beklagten nach § 7 Abs. 2 RVG gar nicht entstanden, im Übrigen auf das Prozesskostenhilfeverfahren beschränkt gewesen. Die Voraussetzungen der Anrechnung lägen vor.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde hat einen teilweisen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Erhöhungsgebühr als entstanden und erstattungsfähig angesehen. Übersehen hat es, dass die Voraussetzungen des § 15a RVG mit dem Erbfall in der Person der Klägerin vorliegen und eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr rechtfertigen.
1. Vertritt der Rechtsanwalt gerichtlich in derselben Angelegenheit mehrere Personen, so erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV für jede weitere Person um eine 0,3-Gebühr nach Nr. 1008 VV. Die Erhöhungsgebühr fällt damit im gleichen Zeitpunkt an wie die Verfahrensgebühr. Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV fällt die Verfahrensgebühr für das gesamte Betreiben des Geschäftes einschließlich der Information an und damit spätestens mit der Entgegenahme der Klageschrift nebst Prozesskostenhilfeantrag und der hierauf bezogenen Informationsbeschaffung. Aus den Darlegungen des Bevollmächtigten der Beklagten, die anwaltlich versichert sind (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO), ergibt sich, dass dieser einen unbedingten Auftrag zur Rechtsverteidigung hatte, der nicht auf die Vertretung im Prozesskostenhilfeverfahren beschränkt war. Deshalb ist die Verfahrensgebühr mit der Erhöhungsgebühr am 29.1.2013 und damit vor dem Erbfall entstanden. Wegen des generalisierenden und typisierenden Charakters der Gebühr kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Mehraufwand entstanden ist (Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, VV 1008 Rn 41). Ebenso bleibt unerheblich, dass der Beklagte zu 2) vorzeitig aus dem Verfahren ausgeschieden ist (BGH MDR 1994, 414; Gerold/Schmidt, a.a.O., Rn 51; Beck-OK/Seltmann, § 7 RVG Rn 1).
Die so entstandene Erhöhungsgebühr ist auch erstattungsfähig. Die Beklagten waren nicht gehalten, den Auftrag auf eine Vertretung im PKH-Verfahren zu beschränken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – eine unbedingte Klage erhoben wird, die Klage mithin anhängig, wenn auch mangels Zustellung noch nicht rechtshängig ist. Es ist dann zweckmäßig und erforderlich, die Rechtsverteidigung auf das Klageverfahren auszurichten.
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, die Beklagte habe die Erhöhungsgebühr gar nicht zu tragen. Auch nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 RVG schulde...