Leitsatz
- Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich eine Freistellung des Arbeitnehmers, ohne dass die Parteien zuvor über den Gegenstand der Freistellungsregelung gestritten haben oder sich außergerichtlich bindend auf eine Freistellung verständigt haben, ist die Freistellungsregelung bei der Einigungsgebühr als Mehrvergleich zu berücksichtigen.
- Jedenfalls dann, wenn die Dauer der vereinbarten Freistellung einen Monat übersteigt, beträgt der Vergleichsmehrwert der Freistellungsregelung ein Bruttomonatsgehalt.
LAG Hamburg, Beschl. v. 26.1.2016 – 6 Ta 29/15
1 Sachverhalt
Im Ausgangsverfahren haben die Parteien über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung, ausgesprochen zum 31.12.2015, gestritten. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses betrug das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt der Klägerin 4.203,33 EUR. Der Rechtsstreit wurde durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs in der Güteverhandlung erledigt, mit dem sich die Parteien auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2016 aus betriebsbedingten Gründen verständigten. Der verfahrensbeendende Vergleich enthält unter Nr. 3 folgende Regelung:
"Die Klägerin bleibt unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung etwaiger ihr noch zustehender (restlicher) Urlaubsansprüche bzw. Freizeitausgleichsansprüche mit der Maßgabe freigestellt, dass sie ihren restlichen Jahresurlaub 2015 zunächst antritt und der in 2016 anstehende Urlaub unmittelbar zu Beginn des Jahres 2016 genommen wird, sodass der gesamte restliche schon entstandene Urlaub und der für das Jahr 2016 entstehende Urlaub mit der Freistellung erledigt und abgegolten ist."
Mit Beschl. v. 30.11.2015, der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 2.12.2015, hat das ArbG nach vorheriger Anhörung der Prozessbevollmächtigten der Parteien für die Klage einen Gegenstandswert von 12.609,99 EUR angenommen. Für den Vergleich hat es einen Mehrwert in Höhe von 4.203,33 EUR festgesetzt. Hierbei hat es ausweislich der Anhörung der Parteien die unter Nr. 5 getroffene Zeugnisregelung mit dem festgesetzten Betrag berücksichtigt.
Mit Schriftsatz v. 9.12.2015, beim ArbG eingegangen am 10.12.2015, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss eingelegt und beantragt, bei der Festsetzung des Vergleichsmehrwerts zusätzlich auch die Freistellungsregelung unter Nr. 3 des Vergleichs werterhöhend mit einem Bruttomonatsgehalt der Klägerin in Höhe von 4.203,33 EUR zu berücksichtigen.
Mit Beschl. v. 15.12.2015 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht abgeholfen. In der Begründung der Nichtabhilfeentscheidung hat sich das ArbG der Entscheidung des LAG Hamburg v. 26.8.2015 zum Aktenzeichen 1 Ta 10/15 angeschlossen und ausgeführt, die Vereinbarung zur Freistellung und der damit verbundene Verzicht auf bestehende Urlaubs- und Zeitausgleichsansprüche seitens der Klägerin führe nicht zu einem Mehrwert des Vergleichs, weil es sich lediglich um einen Teil des "Preises" handele, den die Parteien gezahlt hätten, um eine Einigung über den bereits anhängigen Gegenstand zu erreichen.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gem. § 33 Abs. 3 RVG zulässig.
Erledigt sich ein arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich, richtet sich die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 Alt. 2 RVG (vgl. hierzu LAG Hessen 21.1.1999 – 15/6 Ta 630/98, juris; LAG Schleswig-Holstein 15.12.2011 – 6 Ta 198/11, juris m.w.N.; LAG Hamburg – 6 Ta 22/15, juris; Schwab/Maatje, NZA 2011, 769 ff., 771).
Die Berechtigung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, den Wertfestsetzungsbeschluss als Beschwerdeführerin mit der Beschwerde anzugreifen, folgt aus § 33 Abs. 2 S. 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR. Die Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist eingehalten.
2. Die Beschwerde ist begründet.
Der Mehrwert des gerichtlichen Vergleichs v. 29.10.2015 ist vom ArbG zu niedrig festgesetzt worden. Zutreffend ist – wie von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin beantragt – ein Mehrwert in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern der Klägerin. Neben der Zeugnisregelung ist auch die Freistellungsregelung unter Nr. 3 des Vergleichs mit einem Bruttomonatsgehalt der Klägerin zu bewerten.
Nach Nr. 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV i.d.F. des 2. KostRMoG v. 23.7.2013 (BGBl I, S. 2586 ff., 2692) entsteht die Einigungsgebühr des Rechtsanwalts für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.
Hier haben die Parteien mit dem gerichtlichen Vergleich v. 29.10.2015 einen solchen Vertrag geschlossen. Der Vergleich umfasst die Regelung der Freistellung (a). Für die Freistellungsregelung ist eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,5 angefallen (b). Der festzusetzende Vergleichsmehrwert für die Freistellungsregelung beläuft sich auf ein Bruttomonatsgehalt ...