Die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) durch deren Haftpflichtversicherung war zwar entgegen der Auffassung der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, erstattungsfähig ist jedoch nur eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Nr. 1 VV zuzüglich einer 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert.

1. An der wirksamen Erteilung eines Verfahrensauftrags durch die Haftpflichtversicherung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) kann im Hinblick auf die Regelung in § 17 Nr. 3 der vorgelegten Bedingungen für die "Compact Firmen-Versicherung" kein Zweifel bestehen. Das sich aus der genannten Bestimmung ergebende Recht des Versicherers zur Beauftragung eines Rechtsanwalts für den Versicherten wird von der Antragstellerin auch nicht mehr bestritten.

2. Die vormalige Antragsgegnerin zu 4) war aus erstattungsrechtlicher Sicht berechtigt, in dem zugrunde liegenden selbstständigen Beweisverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

a) Die vormalige Antragsgegnerin zu 4) kann sich im Hinblick auf die Erstattung der Gebühren und Auslagen ihrer Rechtsanwälte zwar nicht auf § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO berufen, weil es sich beim Beweissicherungsverfahren noch nicht um einen Prozess (Rechtsstreit) i.S.d. Vorschrift handelt. Aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit der zu klärenden technischen und rechtlichen Fragen konnte der Antragsgegnerin jedoch nicht zugemutet werden, sich auf das Verfahren ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts einzulassen (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., Teil D, Anhang III, Rn 68). Dies gilt umso mehr, als die selbstständige Beweiserhebung nach § 493 Abs. 1 ZPO einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleichsteht und in einem gleichzeitig geführten oder nachfolgenden Hauptsacheverfahren benutzt werden kann.

b) Die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) war auch zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich. Zum Zeitpunkt der Abfassung der Vertretungsanzeige und des Antrags auf Gewährung von Akteneinsicht durch die seitens der Haftpflichtversicherung beauftragten Rechtsanwälte hatte zwar die vormalige Antragsgegnerin zu 4) bereits selbst gegenüber dem LG zum Beweissicherungsantrag Stellung genommen. Die weitere Informationsbeschaffung durch die Prozessbevollmächtigten war hierdurch aber keinesfalls überflüssig geworden, da nicht davon ausgegangen werden konnte, dass die Antragstellerin ihren Antrag in Richtung der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) – wie schließlich erst etwa 1½ Monate später geschehen – allein aufgrund des eigenen Vorbringens der Partei zurücknehmen würde. Völlig ohne Belang für die Erstattungsfähigkeit der angefallenen Gebühren und Auslagen der Prozessbevollmächtigten ist schließlich die Frage, ob deren Tätigwerden ursächlich für die Antragsrücknahme war.

3. Die (volle oder reduzierte) Verfahrensgebühr entsteht nach der Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Ausreichend hierfür ist die erste Handlung des Rechtsanwalts, die dem Betreiben des Geschäfts dient, in der Regel also bereits die Informationsbeschaffung (OLG Hamm AnwBl 2005, 587[= AGS 2005, 338]; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 3100 Rn 57). Die Einsicht in die Verfahrensakten, wie hier geschehen, genügt bereits, zumal der Umfang der Tätigkeit ohne Bedeutung ist.

a) Durch die von den Prozessbevollmächtigten der vormaligen Antragsgegnerin zu 4) ausgeführten und vorgetragenen Tätigkeiten ist jedoch entgegen deren Auffassung, der sich die Rechtspflegerin angeschlossen hat, nur eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Nr. 1 VV entstanden und zu erstatten. Deren Auftrag hat nämlich aufgrund der Antragsrücknahme geendet, bevor sie einen Schriftsatz mit Sachanträgen oder Sachvortrag eingereicht oder einen gerichtlichen Termin wahrgenommen haben. Die genannte Vorschrift findet auch im selbstständigen Beweisverfahren Anwendung, wenngleich es sich hierbei um ein Verfahren handelt, in dem Sachanträge jedenfalls des Antragsgegners nicht erforderlich sind (Mayer, in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 14). Der Rechtsanwalt der Antragsgegnerin erhält demnach nur eine auf einen Satz von 0,8 reduzierte Verfahrensgebühr, wenn er weder einen Gegenantrag noch eine Gegenerklärung, die sich mit dem dem Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandersetzt, eingereicht oder nur verfahrensrechtliche Anregungen gegeben hat (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Teil D, Anhang III, Rn 10; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 6. Aufl., VV 3101 Rn 65, 67). Der Senat hat unter der Geltung der BRAGO für die Entstehung der vollen Prozessgebühr die Stellung eines Gegenantrags oder die Wahrnehmung eines Termins für erforderlich gehalten (Senat JurBüro 2000, 485 = AnwBl 2000, 759 = NJW-RR 2000, 1728 [= AGS 2000, 233]; ebenso OLG Köln OLGR 2000, 162). Diese Auffassung ist insoweit überholt, als für die Entste...

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