Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob in einem Altverfahren auf Anfechtung der Vaterschaft einer Kindesmutter, die zur Wahrung ihrer eigenen Rechte aufseiten des Kindes dem Rechtsstreit beitritt, Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Anfechtung der vom Kläger anerkannten Vaterschaft für die Beklagte. Die Beklagte wurde während bestehender Ehe der Mutter und Nebenintervenientin geboren. Die Vaterschaft des Ehemannes wurde ausgeschlossen. Der Kläger erkannte die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter an.
Ca. ein Jahr später hat der Kläger die Vaterschaft angefochten und Feststellung begehrt, nicht der Vater des Kindes zu sein.
Nach Beweisaufnahme und Einholung eines Gutachtens stellte das AG fest, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes sei.
Schon vor der Beweisaufnahme war die Mutter dem Rechtsstreit aufseiten der Beklagten beigetreten und hatte Prozesskostenhilfe beantragt. Die begehrte Prozesskostenhilfe wurde ihr vom AG versagt. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrte die Mutter die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das amtsgerichtliche Verfahren, hilfsweise Zurückverweisung des Rechtsstreits an das OLG.
Entscheidung
Der BGH hat den Beschluss des OLG aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen.
Einem Nebenintervenienten könne nach seinem Beitritt ebenso wie einer Prozesspartei Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Dabei sei das Gericht auf der Grundlage der persönlichen Verhältnisse des Streithelfers an die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den §§ 114, 115 ZPO und für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 121 ZPO gebunden (BGH Beschl. v. 17.1.1966 - VII ZR 125/65, NJW 1966, 597).
Das gelte auch für einen Nebenintervenienten in einer Kindschaftssache (jetzt Abstammungssache). Da die Mutter in dem Prozess des Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft nach § 640e ZPO a.F. zwingend zu beteiligen sei, unterscheide sich ihre Stellung nach ihrem Beitritt zum Prozess insoweit nicht von derjenigen einer Partei des Rechtsstreits.
Streitig sei allerdings, ob der Beitritt der Mutter in einem Verfahren des Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft mutwillig sei, wenn keine konkrete Unterstützung der Prozesspartei möglich oder beabsichtigt sei.
Der BGH wies darauf hin, dass von den Oberlandesgerichten hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten würden. Er schloss sich der von einigen OLG vertretenen Auffassung an, dass der im Anfechtungsprozess beigetretenen Mutter Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei, da sie wie eine Partei des Anfechtungsprozesses selbst zu behandeln sei. Ebenso sei ihr grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen. Das ergehende Urteil wirke sich - sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig werde - für und gegen alle aus. Die Entscheidung wirke also auch für und gegen die an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligte Mutter des beklagten Kindes, auf deren Rechtsstellung sie dadurch unmittelbar einwirke.
Als selbständige Streithelferin des Kindes könne die Mutter auch frei von den für gewöhnliche Nebenintervenienten geltenden Beschränkungen Prozesshandlungen auch in Widerspruch zu der von ihr unterstützten Partei vornehmen und dadurch selbst auch durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine richtige Entscheidung hinwirken. Damit sei die Mutter ebenso zu behandeln wie eine Partei des Anfechtungsprozesses.
Auch der Umstand, dass die Beweisaufnahme von Amts wegen durchzuführen sei, dürfe sie insoweit nicht schlechter stellen.
Hinweis
Die noch nach altem Recht und noch zur Geltung des früheren § 640e ZPO ergangene Entscheidung ist auch für die jetzige Rechtslage nach Inkrafttreten des FamFG von Bedeutung. Maßgeblich ist nunmehr § 172 FamFG. Nach dieser Vorschrift sind in den Abstammungsverfahren das Kind, die Mutter und der (rechtliche) Vater sowie auf Antrag das Jugendamt Verfahrensbeteiligte, die nach §§ 27, 34 Abs. 1 FamFG berechtigt sind, sich am Verfahren zu beteiligen und mitzuwirken. Sie sind auch persönlich anzuhören. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass die zu treffende Entscheidung keinen Mitbetroffenen präjudiziert, ohne dass er am Verfahren beteiligt wird.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 02.06.2010, XII ZB 60/09