Leitsatz
Ein Missbrauch der Vertretungsmacht durch einen Geschäftsführer einer GmbH ist für einen Rechtsanwalt als Geschäftspartner objektiv evident, wenn der Geschäftsführer in Vertretung der Gesellschaft einen hohen Geldbetrag auf ein Anderkonto des Rechtsanwalts überweist, um sich diesen sogleich in bar übergeben zu lassen, ohne dass für die Transaktion ein plausibler Grund vorliegt.
Sachverhalt
Ein alleinvertretungsberechtigter Fremdgeschäftsführer einer GmbH hatte im Juli 2007 veranlasst, dass die beiden Gesellschafter zwecks Kauf eines Schiffes ca. 500000 EUR auf ein Konto der GmbH eingezahlt haben. Der Geschäftsführer hatte absprachewidrig und gegen die Anweisung seitens der Gesellschafter über dieses Konto Einzelvollmacht. Er hatte dazu den Gesellschaftern ein gefälschtes Schreiben der Bank mit der angeblichen Bestätigung über eine gemeinsame Verfügungsberechtigung mit dem einen Gesellschafter vorgelegt.
Im September 2007 kam es auf Veranlassung des Geschäftsführers zu einem Treffen mit dem betroffenen Anwalt in einem Hotel (Ort war weder mit dem Sitz der GmbH noch dem der Bank identisch). Der Geschäftsführer beauftragte den Anwalt mit der Einrichtung eines Rechtsanwalts-Anderkontos. Er wolle darauf 450000 EUR transferieren. Die sollten ihm anschließend bar ausgezahlt werden, um eine Anzahlung an einen Reeder leisten zu können. Der Anwalt gab sich auf seine Frage, warum sich der Geschäftsführer nicht den Betrag direkt in bar von der Bank auszahlen lasse, mit der lapidaren Antwort zufrieden, die Bank solle nichts von dem konkreten Schiffskauf erfahren, um sie nicht zu verunsichern. Der Geschäftsführer überwies – mit gefälschter Unterschrift – 450000 EUR auf das Anderkonto und ließ sich den Betrag in der Bank des Anwalts von diesem bar auszahlen. Anschließend tauchte der Geschäftsführer mit dem Geld unter und konnte trotz Haftbefehls nicht gefunden werden. Das OLG Stuttgart sprach der GmbH die unterschlagene Summe – und die vom untreuen Geschäftsführer bezahlten Anwaltskosten von 7482,12 EUR – als Schadensersatz gegen den Anwalt vollumfänglich zu:
- Ein Anwaltsvertrag zwischen der GmbH und dem Anwalt ist angesichts des tatsächlichen Missbrauchs der Vollmacht seitens des Geschäftsführers nicht zustande gekommen.
- Der Anwalt haftet als Geschäftsführer ohne Auftrag gem. § 681 Satz 2 BGB i.V. mit § 667 BGB und aus § 678 BGB.
- Für den Anwalt sei der Missbrauch aufgrund massiver Verdachtsmomente erkennbar gewesen. Zumindest hätten dem Anwalt begründete Zweifel kommen müssen, weil es höchst ungewöhnlich sei, einen sechsstelligen Betrag auf ein Anderkonto zu überweisen, um sich diesen sofort in bar auszahlen zu lassen. Zudem sei es unwirtschaftlich, Anwaltskosten in Höhe von 7482,12 EUR aufzuwenden, die bei Abhebung vom bestehenden Bankkonto nicht entstanden wären. Der Geschäftsführer habe auch keinen plausiblen Grund für diese Vorgehensweise angegeben.
- Trotz aller Auffälligkeiten habe der Anwalt dann keine Maßnahmen ergriffen, um bestehende Zweifel zu klären und dadurch die ihm gegenüber den Gesellschaftern obliegende Informationspflichtverletzt. Er hätte mindestens mit einem der Gesellschafter Kontakt aufnehmen müssen!
Ein Mitverschulden der Gesellschafter, die ihren Geschäftsführer mit solchen Summen haben schalten und walten ließen, verneinte das OLG. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Link zur Entscheidung
OLG Stuttgart, Urteil v. 16.12.2008, 12 U 172/08.