Entscheidungsstichwort (Thema)

örtliche Zuständigkeit. Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes. sic-non-Fall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die für die Bestimmung des Rechtswegs in sog. sic-non-Fällen entwickelten Grundsätze gelten auch für die örtliche Zuständigkeit.

2. Kann eine vor einem Arbeitsgericht in einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur Erfolg haben, wenn die klagende Partei Arbeitnehmer ist (sog sic-non-Fall), reicht für den besonderen Gerichtsstand des § 48 Abs. 1a ArbGG die bloße Behauptung, Arbeitnehmer zu sein, aus.

 

Normenkette

ArbGG § 48 Abs. 1a, 1; GVG § 17a

 

Tenor

Das Arbeitsgericht Berlin ist örtlich zuständig.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen Ihnen bestehende Vertragsverhältnis aufgrund Befristung geendet hat und dabei insbesondere auch darüber, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis um eine Arbeitsverhältnis handelt.

Die Klägerin ist für die Beklagte, einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalterin mit Sitz in Köln, seit … tätig. Der zwischen den Parteien zuletzt geschlossene Vertrag über eine freie Mitarbeit der Klägerin als programmgestaltende Mitarbeiterin/…korrespondentin vom 13. September 2007 war bis zum 30. September 2010 befristet.

Nach § 2 Nr. 1 des Vertrages war die Klägerin dem Bereich der Hauptabteilung … des K. Funkhauses (Hauptstadtstudio) zugeordnet. Als Beschäftigungsort ist in § 3 Nr. 4 des Vertrages Berlin und als Gerichtsstand in § 7 des Vertrages Köln vereinbart. Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages wird auf dessen Ablichtung (Bl. 5 ff d. A.) verwiesen.

Die Klägerin macht geltend, sie sei bei der Beklagten tatsächlich als Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Sie habe ihre Arbeitsleistung am Redaktionssitz der Beklagten in Berlin zu erbringen. Dort liege auch der tatsächliche Schwerpunkt ihrer Berufstätigkeit.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin und beantragt die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Köln. Bei dem Vertragsverhältnis habe es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um ein freies Mitarbeiterverhältnis gehandelt. Auf den Ort der Ausübung der Tätigkeit der Klägerin komme es deshalb nicht an. Die von der Klägerin vertraglich erbrachten Autoren- und Korrespondentenleistungen seien Bringschulden gewesen. Während der Vertragslaufzeit habe die Klägerin für den Standort Köln mindestens genauso viele Beiträge wie für den Standort Berlin geliefert, wenn nicht sogar mehr. Vereinbarter Leistungs- und Erfüllungsort sei nach § 2 Nr. 1 des Vertrages Köln gewesen. Dort befinde sich auch die für freie Mitarbeiter zuständige Abteilung Honorare und Lizenzen, was unstreitig ist. Da der Status der Klägerin in dem Rechtsstreit erst geklärt werden solle, könne es für die örtliche Zuständigkeit nicht auf die Kriterien des Erfüllungsortes im Arbeitsverhältnis ankommen. Ferner verweist die Beklagte auf die Gerichtsstandsvereinbarung in § 7 des Vertrages.

 

Entscheidungsgründe

II. Auf die Rüge der Beklagten ist nach den § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorab durch Beschluss zu entscheiden. Nach § 17a Abs. 4 Satz 1 GVG kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Entscheidung obliegt nach § 55 Abs. 1 Nr. 7 ArbGG der Vorsitzenden.

Das Arbeitsgericht Berlin ist örtlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 48 Abs. 1a ArbGG. Darauf, ob das Vertragsverhältnis der Parteien ein Arbeitsverhältnis ist, wie die Klägerin meint, oder ein freies Mitarbeiterverhältnis, wie die Beklagte meint, kommt es für die örtliche Zuständigkeit nicht an. Denn insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie für die Bestimmung des Rechtswegs. Es genügt hier die Behauptung der Klägerin, Arbeitnehmerin zu sein.

1. Nach § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG ist für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG) auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Durch die Einführung dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber das Wahlrecht der klagenden Partei um den Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes erweitert. Ob dieser Ort zugleich Erfüllungsort i. S. d. § 29 ZPO ist ist deshalb ohne Bedeutung (BeckOK-ArbGG-Hammacher, § 48 Rn. 29a).

2. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG für die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin sind gegeben.

a) Gegenstand der Klage ist eine Streitigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG. Die Klägerin macht die Unwirksamkeit der zwischen den Parteien getroffenen Befristungsabrede und den Fortbestand des ihrer Ansicht nach als Arbeitsverhältnis anzusehenden Vertragsverhältnisses geltend.

b) Darauf, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis tatsächlich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es für die Anwendung des § 48 Abs. 1a ArbGG nicht ...

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