Entscheidungsstichwort (Thema)

Reichweite der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO bei mehreren im Interessenausgleich behandelten Betriebsänderungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst nur Kündigungen in Vollzug der Betriebsänderung, über die der Interessenausgleich mit Namensliste zustande gekommen ist.

2. Ist nur eine Betriebsänderung Gegenstand des Interessenausgleiches, wird dieser Kausalzusammenhang zwischen Betriebsänderung und Kündigung in der Regel vermutet (in Anlehnung an BAG vom 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – BAGE 88,363 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 94).

3. Regelt der Interessenausgleich mehrere Betriebsänderungen oder eine mehrgliedrige Betriebsänderung, die entweder nicht gleichzeitig oder einheitlich oder von der eine oder ein Teil schließlich gar nicht durchgeführt wird, ist vom Arbeitgeber im Prozess darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Kündigung gerade in Vollzug der tatsächlich durchgeführten bzw. des tatsächlich durchgeführten Teils der Betriebsänderung ausgesprochen wurde. Dieser Kausalzusammenhang nimmt in einem solchen Falle nicht an der Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 Nr. 1 InsO teil.

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1 Nr. 1; KSchG § 1 Abs. 2

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung des Beklagten vom 28.11.2001, zugegangen am 29.11.2001, nicht zum 28.02.2002 aufgelöst worden ist.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe ausgesprochenen Kündigung.

Am 31. Juli 2001 beschloss das Amtsgericht Gera die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über T (fortan: Schuldnerin). Es bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.

Der zum Zeitpunkt der Kündigung 54 Jahre alte Kläger war seit dem 18. März 1999 bei der Schuldnerin beschäftigt und erhielt für seine Tätigkeit zuletzt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 6.391,15 EUR.

Am 28. September 2001 schlossen der Beklagte und der bei der Schuldnerin eingerichtete Betriebsrat einen Interessenausgleich. Gegenstand des Interessenausgleichs waren die Schließung des Teilbereiches „Schalterproduktion” spätestens zum 30. November 2001 sowie die Frage, was mit dem Teilbereich „Keramische Produktion” geschehen solle. Diesbezüglich formulierten die Betriebspartner im Interessenausgleich wörtlich:

„Hinsichtlich des Teilbereichs ‚Keramische Produktion’ sind der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat bestrebt, diesen zu erhalten und fortzuführen. Dieses soll durch die Gewinnung eines Investors ermöglicht werden. Eine Entscheidung über die Fortführung wird durch die Gläubigerversammlung am 16.10.2001 getroffen werden. Sollte die Gläubigerversammlung zu der Entscheidung kommen, den Teilbereich ‚Keramische Produktion’ ebenfalls einstellen zu müssen, prüft der Betriebsrat gegenwärtig die Möglichkeit einer Fortführung des Teilbereiches durch die Belegschaft als ‚Management-Buy-Out’. Ein entsprechender Antrag wird ggf. am 16.10.2001 gestellt werden.”

In § 2 des Interessenausgleiches verwiesen die Betriebspartner unter Bezugnahme auf § 125 InsO auf eine als Anlage 1 bezeichnete Personalliste, in der die vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer aufgeführt sein sollten. Diese Personalliste war unterteilt in die Bereiche „Schalterproduktion” und „Keramische Produktion”. In dieser Liste war der Kläger auf Seite 3 unter der Rubrik „Keramische Produktion/allgemeine Verwaltung – gegenwärtig freigestellt – Gehaltsempfänger” unter der lfd. Nr. 3 aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Interessenausgleichs wird auf die als Anlage zu Protokoll der mündlichen Verhandlung genommene Telefaxkopie hiervon (Bl. 48 – 55 d. A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 28. November 2001, dem Kläger am Tage darauf zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 28. Februar 2002.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 18. Dezember 2001 eingegangenen und dem Beklagten aufgrund richterlicher Verfügung vom 21. Dezember 2001 am 3. Januar 2002 zugegangenen Klage.

Er behauptet, er sei nicht in der Abteilung Einkauf, die es überhaupt nicht gebe, sondern sei als Werkleiter beschäftigt gewesen. Zu seiner Tätigkeit habe die Leitung der Bereiche Produktion, Entwicklung, Organisation F & E sowie Informationswesen gehört, mit den einzelnen Aufgaben, die sich aus der als Anhang 1 zum Anstellungsvertrag vom 18.03.1999 festgelegten Tätigkeitsbeschreibung ergäbe. Wegen der Einzelheiten des Inhaltes dieser Tätigkeitsbeschreibung wird auf die als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14.02.2002 zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 39 und 40 d. A.) verwiesen. Seine, des Klägers, Stelle sei auch nicht weggefallen, denn sie sei durch jemand anderes, Herrn B, besetzt worden, der nunmehr seine, des Klägers, vormaligen Aufgaben ausübe.

Er bestreitet die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung und hält den Vortrag des Beklagten hierzu für nicht einlassungsfähig substantiiert.

Er beantragt,

  1. Es wird festgestellt,...

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