Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit von Vergütungen in der Branche Briefdienstleistungen ist auf die bei der Deutschen Post AG gezahlten Tariflöhne als Vergleichsmaßstab abzustellen.
2. Die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28.12.2007 (Postmindestlohnverordnung) ist nicht rechtswidrig (entgegen OVG Berlin)
Orientierungssatz
Sittenwidrigkeit einer Vergütung im Bereich Briefdienstleistungen (Sortierer);
Wirksamkeit der Postmindestlohnverordnung
Sittenwidrigkeit
Mindestlohn
Briefdienstleistungen
Normenkette
GG Art. 80 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1; BGB § 612 Abs. 2, § 138; AEntG § 1; PostG § 6
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 560,12 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.06.2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 12.354,14 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.06.2008 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/10 und die Beklagte zu 9/10 zu tragen.
5. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 14.575,24 EUR festgesetzt.
6. Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Berufung zugelassen, soweit die Klage für den Zeitraum Januar bis April 2008 hinsichtlich der Differenzvergütung (ohne Urlaubsabgeltung) teilweise abgewiesen wurde, wobei die Zulassung für April begrenzt ist auf eine Vergütungsdifferenz in Höhe von 167,20 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitsentgelts.
Der Kläger ist bei der Beklagten – einem Unternehmen der Briefdienstleistungsbranche in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG – seit dem 06.07.2006 als Sortierer beschäftigt. Bis einschließlich Februar 2007 wurde er stundenweise, ab März 2007 mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (8 Stunden täglich/5 Arbeitstage) beschäftigt. Entsprechend einer schriftlichen Vereinbarung vom 27.11.2006 (Blatt 15 d. A.) erhielt der Kläger eine Vergütung in Höhe von 5,60 EUR brutto je Arbeitsstunde sowie einen Nachtzuschlag in Höhe von 1,40 EUR je geleisteter Nachtarbeitsstunde. Entgeltfortzahlung für Feiertage hat die Beklagte nicht geleistet. Wegen der Einzelheiten der für den Zeitraum Juli 2006 bis März 2008 abgerechneten und an den Kläger gezahlten Vergütungen wird auf die dem Kläger erteilten Lohnabrechnungen (Blatt 22 bis 26 und 29 bis 45 d. A.) Bezug genommen. In der Zeit vom 17.03. bis 15.04.2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Für April 2008 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung für 11 Tage (88 Stunden) in Höhe von insgesamt 492,62 EUR brutto, weiterhin wurden 286,62 EUR brutto Urlaubsabgeltung für 6 Urlaubstage gezahlt.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 15.04.2008 gekündigt, ein Kündigungsschutzprozess war beim Arbeitsgericht Leipzig unter dem Aktenzeichen 14 Ca 1399/08 anhängig, der Klage wurde mit Urteil vom 10.07.2008 stattgegeben. Das Berufungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen 6 Sa 498/08 beim Sächsischen Landesarbeitsgericht anhängig.
Mit seiner Klage vom 09.06.2008, eingegangen am 11.06.2008 und der Beklagten zugestellt am 20.06.2008, begehrt der Kläger die Zahlung von Differenzarbeitsentgelt für den Zeitraum 06.07.2006 bis 15.04.2008. Bei der Berechnung der Differenzvergütung hat er auf Grundlage des Entgelttarifvertrages für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG zwischen der Deutschen Post AG und der Gewerkschaft ver.di (ETV-DP AG) für den Zeitraum 06.07.2006 bis 31.10.2006 einen Stundenlohn in Höhe von 8,90 EUR, ab dem 01.11.2006 in Höhe von 9,66 EUR und ab November 2007 in Höhe von 9,90 EUR zugrunde gelegt. Die Differenz wird – ohne Berücksichtigung der Nachtzuschläge – für jede abgerechnete Arbeitsstunde einschließlich des gewährten Erholungsurlaubs entsprechend der dem Kläger erteilten Lohnabrechnungen geltend gemacht. Darüber hinaus verlangt der Kläger die Vergütung von Feiertagen sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen weiteren Krankheitstag (23.12.2006). Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageschrift vom 09.06.2008 (Blatt 3 – 13 d. A.) sowie die Klageerweiterung vom 27.08.2008 (Blatt 71 d. A.) Bezug genommen.
Der zum 01.09.2003 in Kraft getretene und im streitgegenständlichen Zeitraum geltende ETV-DP AG sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass das Monatsgrundentgelt nach der Entgeltgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist (§ 3), und der Gruppenstufe, in die er eingestuft ist (§ 4), bemessen wird. Das Monatsgrundentgelt ergibt sich aus den Anlagen 2a und 2b, Teilzeitbeschäftigte erhalten es anteilig. Arbeitnehmer, deren jeweilige Beschäftigung für voraussichtlich nicht länger als 3 Monate vorgesehen ist, erhalten ein Stundenentgelt gemäß Anlage 3 (§ 2 Abs. 5). Die Anlage 1 (Entgeltgruppenverzeichnis) zu diesem Tarifvertrag hat soweit für den Rechtsstr...